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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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schlossen sich um ein mageres Handgelenk.
    Sunlight Gardener kicherte.
    »JACK!« schrie Richard hinter ihm.
    Er stand wieder in dieser Welt im hellen, reinigenden Sonnenlicht, und Sunlight Gardeners messerbewehrte Hand drängte auf ihn herab.
    Gardeners zerstörtes Gesicht hing nur Zentimeter über seinem eigenen, und ein Geruch wie von Müll und Tierkadavern, die seit langem auf der Straße liegen, hüllte sie ein. »Nicht das mindeste«, sagte Gardener. »Bekomme ich ein Halleluja?« Er drückte das elegante, tödliche Messer nieder, und Jack gelang es, dagegen anzudrücken.
    »JACK!« schrie Richard wieder.
    Gardener starrte ihn mit einem funkelnden Vogelauge an und drückte das Messer weiter herunter.
    Weißt du nicht, was Sunlight getan hat? sagte Speedys Stimme. Weißt du es immer noch nicht?
    Jack blickte in Gardeners irrsinnig flackerndes Auge. Doch. Er wusste es.
    Richard kam ihm zu Hilfe und trat Gardener gegen den Knöchel, dann hieb er ihm eine schwache Faust an die Schläfe.
    »Sie haben meinen Vater umgebracht«, sagte Jack.
    Gardeners Auge funkelte ihn an. »Du hast meinen Sohn umgebracht, du verdammter Bastard!«
    »Morgan Sloat hat gesagt, Sie sollten meinen Vater umbringen, und Sie haben es getan.«
    Gardener drückte das Messer weitere fünf Zentimeter herunter. Aus dem Loch, in dem sein rechtes Auge gesessen hatte, quoll ein Klumpen gelber, mit Blut vermischter Masse.
    Jack schrie – und in seinem Schrei artikulierten sich sein Grausen, seine Wut und all die langvergrabenen Gefühle von Verlassenheit und Hilflosigkeit, die ihn nach dem Tod seines Vaters gequält hatten. Er stellte fest, dass es ihm gelungen war, Gardeners Hand wieder hochzudrücken. Er schrie wieder. Gardeners fingerlose linke Hand trommelte auf Jacks linken Arm. Jack war es gerade gelungen, Gardeners Handgelenk zurückzudrehen, als er spürte, wie sich der bluttropfende Stumpf zwischen seinem Arm und seinem Brustkorb hindurchschob. Richard versuchte weiter, Gardener anzugreifen, aber Gardener kam mit seiner fingerlosen Hand dem Talisman bedrohlich nahe.
    Gardeners Gesicht näherte sich dem von Jack.
    »Halleluja«, flüsterte er.
    Jack drehte seinen ganzen Körper, setzte mehr Kraft ein, als er zu haben glaubte. Er riss Gardeners Messerhand herunter. Die andere, fingerlose Hand flog zur Seite. Jack presste das Handgelenk der Messerhand und spürte, wie sich dicke Sehnen unter seinem Zugriff wanden. Dann fiel das Messer zu Boden, jetzt so ungefährlich wie der fingerlose Stumpf, der mehrmals Jacks Rippen traf. Jack warf sich gegen den bereits aus dem Gleichgewicht geratenen Gardener, der zurücktaumelte.
    Er streckte Gardener den Talisman entgegen. Richard stöhnte: Was machst du da? Aber es war richtig, richtig, richtig. Jack bewegte sich auf Gardener zu, der ihn immer noch anfunkelte, aber jetzt weniger selbstsicher. Er brachte den Talisman noch näher an Gardener heran. Gardener grinste, weiteres Blut trat aus der leeren Augenhöhle aus, und versuchte, auf den Talisman einzuschlagen. Dann bückte er sich nach dem Messer. Jack stürzte vor und berührte Gardeners Stirn mit der warmen, lebendigen Haut des Talismans. Wie Reuel, so Sunlight. Dann sprang er zurück.
    Gardener heulte wie ein tödlich verwundetes Tier. Wo der Talisman ihn berührt hatte, war die Haut schwarz geworden. Dann löste sie sich auf, wurde flüssig, begann zu rinnen. Jack trat einen weiteren Schritt zurück. Gardener fiel auf die Knie. Sein Kopf war nur noch mit einer wächsernen Haut bedeckt, und eine halbe Sekunde später ragte nur noch ein glänzender Schädel aus dem Kragen des blutverschmierten Hemdes heraus.
    Der ist erledigt, dachte Jack. Wie gut!
     
    2
     
    »So«, sagte Jack, von wilder Zuversicht erfüllt. »Und nun lass uns zu ihm gehen, Richie. Lass uns …«
    Er sah Richard an und stellte fest, dass sein Freund dem Zusammenbrechen nahe war. Er stand schwankend und mit halbgeschlossenen und verschleierten Augen im Sand.
    »Vielleicht ist es doch besser, wenn du so lange hier sitzenbleibst«, sagte Jack.
    Richard schüttelte den Kopf. »Ich komme mit, Jack. Seabrook Island. Den ganzen Weg – bis zur Endstation.«
    »Ich muss ihn töten«, sagte Jack. »Das heißt, wenn es mir gelingt.«
    Richard schüttelte abermals den Kopf, diesmal verbissen und starrköpfig. »Nicht meinen Vater. Ich hab’s dir gesagt. Vater ist tot. Wenn du mich zurücklässt, krieche ich. Krieche durch den Misthaufen, der von diesem Kerl übrig geblieben ist, wenn es

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