Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
Vom Netzwerk:
willkommenes Heilmittel gegen Angst und Verwirrung.
    Das warst du – du hast mich geschlagen, du hast mir wehgetan. Aber ich verspreche dir – wenn ich je Gelegenheit finde, dir das heimzuzahlen …
    »Geht es wieder?« flüsterte der Hauptmann.
    »Ja.«
    »Was?« kreischte Osmond den beiden Männern zu, die ihn beim Auspeitschen von Jack gestört hatten.
    Der erste war einer der Höflinge, an denen Jack und der Hauptmann auf ihrem Weg in die Geheimkammer vorübergekommen waren. Der andere hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kutscher, dem Jack gleich nach seiner Ankunft in der Region begegnet war. Der Mann sah zu Tode verängstigt aus, und verletzt war er auch – Blut quoll aus einer klaffenden Wunde an der linken Seite seines Kopfes und bedeckte fast die ganze linke Gesichtshälfte. Sein linker Arm war abgeschürft, sein Wams zerrissen. »Was sagst du da, du Tölpel?«
    »Mein Karren ist umgestürzt, als ich hinter dem Dorf All-Hands um die Kurve bog«, sagte der Kutscher. Er sprach mit der langsamen Benommenheit und Geduld eines Mannes, der einen schweren Schock erlitten hat. »Mein Sohn ist tot, Herr. Er wurde von den Fässern zermalmt. Am letzten Mai-Farmtag war er gerade sechzehn geworden. Seine Mutter …«
    »Was?« kreischte Osmond wieder. »Fässer? Bier? Doch nicht etwa das Kingsland? Du willst doch nicht etwa sagen, dass du eine ganze Wagenladung Kingsland-Bier umgekippt hast, du idiotischer Ziegenschwanz? Das willst du mir doch wohl nicht sagen, wie?«
    Beim letzten Wort hob sich Osmonds Stimme wie die eines Mannes, der mit Hohn und Spott eine Operndiva imitiert. Sie bebte und vibrierte. Gleichzeitig begann er wieder zu tänzeln – aber jetzt vor Wut. Die Kombination war so sonderbar, dass Jack beide Hände vor den Mund schlagen musste, um ein unwillkürliches Kichern zu unterdrücken. Die Bewegung führte dazu, dass sein Hemd über seinen striemenbedeckten Rücken schabte, und das ernüchterte ihn, noch bevor ihm der Hauptmann ein warnendes Wort zuwispern konnte.
    Geduldig, als hätte Osmond die einzig bedeutsame Tatsache überhört (und als solche musste sie ihm erscheinen), setzte der Kutscher wieder an: »Am letzten Mai-Farmtag war er gerade sechzehn geworden. Seine Mutter wollte nicht, dass er mit mir fuhr. Ich weiß nicht …«
    Osmond hob die Peitsche und ließ sie mit unvermuteter Schnelligkeit niedersausen. Im einen Augenblick lag der Griff noch locker in seiner Hand und die Rohlederstränge breiteten sich im Schlamm, und im nächsten ertönte ein Knall, der nicht dem einer Zweiundzwanziger glich, sondern eher dem eines Karabiners. Der Kutscher taumelte zurück, schrie auf, schlug die Hände vors Gesicht. Frisches Blut quoll zwischen seinen schmutzigen Fingern hervor. Er stürzte zu Boden und schrie mit dumpfer, gurgelnder Stimme: »Oh Herr! Herr! Herr!«
    Jack stöhnte. »Lassen Sie uns verschwinden. Schnell!«
    »Warte«, sagte der Hauptmann. Der grimmige Ausdruck seines Gesichtes schien sich eine Spur gemildert zu haben. In seinen Augen lag etwas wie Hoffnung.
    Osmond wirbelte zu dem Höfling herum, der einen Schritt zurücktrat; sein voller roter Mund zuckte.
    »War es das Kingsland?« keuchte Osmond.
    »Osmond, Sie sollten sich nicht so aufregen wegen …«
    Osmond ließ das linke Handgelenk emporschnellen; die Rohlederstränge mit ihren metallenen Sporen trafen die Stiefel des Höflings. Der Höfling trat noch einen Schritt zurück.
    »Erzähl mir nicht, was ich tun oder lassen soll«, sagte er. »Beantworte meine Fragen. Ich bin beunruhigt, Stephen. Ich bin ganz unerträglich beunruhigt. War es das Kingsland?«
    »Ja«, sagte Stephen. »Ich bedaure, es zugeben zu müssen, aber …«
    »Auf der Grenzlandstraße?«
    »Osmond …«
    »Auf der Grenzlandstraße, du nasser Schwanz?«
    »Ja«, schluckte Stephen.
    »Natürlich«, sagte Osmond, und ein grässliches weißes Grinsen spaltete sein dürres Gesicht. »Wo liegt All-Hands, wenn nicht an der Grenzlandstraße? Kann ein Dorf fliegen? He? Kann ein Dorf von einer Straße zur anderen fliegen, Stephen? Kann es das? Kann es das?«
    »Nein, Osmond. Natürlich nicht.«
    »Nein. Und deshalb liegen auf der Grenzlandstraße jetzt Fässer herum, richtig? Habe ich recht mit der Annahme, dass diese Fässer und ein umgestürzter Bierwagen die Grenzlandstraße blockieren, während das beste Bier der Region in die Erde sickert, damit sich die Regenwürmer besaufen können?«
    »Ja-ja. Aber …«
    »Morgan kommt über die Grenzlandstraße!« schrie

Weitere Kostenlose Bücher