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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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gekommen, seit Aubrey ihn zusammengeschlagen hat. Aubrey ist …«
    »Dein Stiefvater«, sagte Updike, und für einen Augenblick verengten sich Jacks Auge und sein instinktives Misstrauen kehrte zurück. In Updikes Stimme lag kein Mitgefühl. Im Gegenteil – Updike schien fast über ihn zu lachen, als wüsste er, dass die ganze Geschichte nichts war als ein einziges Lügengespinst.
    »Ja«, sagte er. »Meine Mom hat ihn vor anderthalb Jahren geheiratet. Er schlägt mich oft.«
    »Traurig, Jack. Sehr traurig.« Jetzt blickte Updike auf, Hohn und Skepsis in den Augen. »Und deshalb bist du jetzt unterwegs nach Chicago, wo du mit deinem Dad glücklich zusammenleben wirst bis ans Ende eurer Tage.«
    »Das hoffe ich«, sagte Jack, und dann kam ihm plötzlich eine Inspiration. »Jedenfalls hat mich mein richtiger Dad nie in meinem Kleiderschrank aufgehängt.« Er zog den Halsausschnitt seines T-Shirts herunter und entblößte die verletzte Stelle. Sie begann jetzt zu verblassen; während er im Golden Spoon arbeitete, hatte sie noch eine intensive, hässlich purpurne Farbe gehabt, wie ein Brandzeichen. Aber im Golden Spoon bot sich keine Gelegenheit, sie vorzuzeigen. Es war natürlich die Spur der Wurzel, die ihn in jener anderen Welt beinahe zu Tode gewürgt hatte.
    Mit Befriedigung stellte er fest, dass sich Smokeys Augen überrascht und fast bestürzt weiteten. Er beugte sich vor und verstreute dabei einige seiner rosa und gelben Zettel. »Großer Gott, Junge«, sagte er. »Das hat dein Stiefvater getan?«
    »Da beschloss ich, mich davonzumachen.«
    »Wird er hier auftauchen – auf der Suche nach seinem Auto oder seinem Motorrad oder seiner Brieftasche oder seinen Haschvorräten?«
    Jack schüttelte den Kopf.
    Smokey musterte Jack noch einen Augenblick länger, dann drückte er auf den AUS-Knopf seines Taschenrechners. »Komm mit in den Lagerraum, Junge«, sagte er.
    »Warum?«
    »Ich will sehen, ob du es tatsächlich schaffst, eins dieser Fässer zu kippen. Wenn du mir ein Fass bringen kannst, wenn ich eins brauche, kannst du den Job haben.«
     
    4
     
    Jack bewies zu Smokey Updikes Zufriedenheit, dass er imstande war, eines der großen Aluminiumfässer zu kippen und so weit zu rollen, dass er es auf die Handkarre laden konnte. Er brachte es sogar fertig, es relativ leicht aussehen zu lassen – dass er ein Fass fallen ließ und dafür einen Schlag auf die Nase erhielt, lag noch in der Zukunft.
    »Na, das geht ja«, sagte Updike. »Du bist nicht groß genug für den Job, und wahrscheinlich wirst du dir einen Bruch heben, aber das ist dein Problem.«
    Er erklärte Jack, er könne mittags um zwölf mit der Arbeit beginnen und durcharbeiten bis ein Uhr morgens (»Jedenfalls, solange du es durchhältst«). Bezahlt werden würde Jack, sagte Updike, täglich, wenn das Lokal geschlossen wurde. Bar auf die Hand.
    Sie kehrten in den Schankraum zurück, und dort war Lori in blauen Basketballshorts, die so kurz waren, dass die Ränder ihres Rayonschlüpfers zu sehen waren, und einer ärmellosen Bluse, die ganz offensichtlich vom Mammoth Mart in Batavia stammte. Ihr dünnes blondes Haar wurde von Plastikspangen gehalten, und sie rauchte eine Pall Mall, deren Mundstück nass und dick mit Lippenstift verschmiert war. Zwischen ihren Brüsten baumelte ein silbernes Kruzifix.
    »Das ist Jack«, sagte Smokey. »Du kannst das Schild aus dem Fenster nehmen.«
    »Lauf, Junge«, sagte Lori. »Noch ist Zeit.«
    »Halt die Fresse.«
    »Ich denke nicht daran.«
    Updike versetzte ihr einen Schlag aufs Hinterteil, nicht liebevoll, sondern so heftig, dass sie gegen die gepolsterte Kante des Bartresens prallte. Jack blinzelte und dachte an das Geräusch von Osmonds Peitsche.
    »Starker Mann«, sagte Lori. In ihren Augen standen Tränen – und dennoch blickten sie zufrieden drein, als wäre alles genau so, wie es sein sollte.
    Jacks Unbehagen war jetzt intensiver, deutlicher ausgeprägt – jetzt war es beinahe Angst.
    »Stör dich nicht an unseren kleinen Meinungsverschiedenheiten, Junge«, sagte Lori auf dem Weg zu dem Schild im Fenster. »Die betreffen dich nicht.«
    »Er heißt Jack, nicht Junge«, sagte Smokey. Er war in die Nische zurückgekehrt, in der er Jack »interviewt« hatte, und begann seine Rechnungen zusammenzuraffen. »Mach ihm ein paar Hamburger. Er muss um vier mit der Arbeit anfangen.«
    Sie holte das Schild mit der Aufschrift AUSHILFE GESUCHT aus dem Fenster und stellte es auf eine Art hinter die Musikbox, die vermuten

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