Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
in den Laden; die Herren sind eingetroffen und ich muss sie nach oben geleiten.“
Ohne jede Verzögerung reagierte die so rüde Angesprochene. Die Tür im Hintergrund, die halb offen gestanden hatte, schwang gänzlich auf und im Türrahmen erschien eine rundliche Frau, die wohl in ihren Vierzigern war. Sie vollführte einen halbwegs ansehnlichen Knicks, setzte ein etwas anzüglich wirkendes Lächeln auf und nahm ihren Platz hinter der Budel ein; dabei zierte sie sich ein wenig und tat verlegen, es wirkte indes eher aufgesetzt und schlecht gespielt.
Die Tür hatte sie hinter sich offen gelassen und auf eben diesen Hinterausgang zielten nun R. S.' Schritte ab. „Folgen Sie mir, meine Herren, wenn ich bitten darf“, dienerte er und verließ den Laden an der Stelle, an der ihn seine Frau gerade erst betreten hatte. Die beiden Galane folgten ihm lautlos. Das erste Zimmer, in das sie gelangten, war augenscheinlich des Wohnzimmer des Greißler-Ehepaares; seine Fenster wiesen in den Hof, sodass der Hausmeister stets einen ausgezeichneten Überblick über seinen Tätigkeitsbereich hatte. Durch eine weitere Tür gelangte man von hier aus in einen zweiten Raum, von derselben Größe wie das erste, doch mit einem weitaus ansprechenderen Interieur ausgestattet. Das Sofa war zwar nicht das allerneueste und bei genauerem Hinsehen fanden sich auch auf den Lehnstühlen einige ausgeblichene oder abgewetzte Stellen, aber das Bemühen der Bewohner, sich dieses Zimmer so heimelig wie nur möglich einzurichten, war nicht zu übersehen. Das einzige Fenster war durch dicke Vorhänge blickdicht verhängt; niemandem war irgendeine Einsicht in diesen Raum gewährt.
Jakob stieß seinen Freund beim Betreten dieses Raumes leicht mit dem Ellenbogen an und nickte ihm zu.
„Das ist also der bewusste Raum!?“, folgerte Hermann und ließ seinen aufmerksamen Blicke durch das ganze Zimmer wandern.
Doch ihr Führer hatte die gute Stube bereits durchquert und war im Begriff, eine weitere Tür zu öffnen. Diese führte in einen kleinen Lichthof, in dem er sich nach allen Seiten umsah.
„Rasch jetzt, bitte, meine Herren“, bedeutete er ihnen daraufhin, „alles ist in Ordnung, niemand ist zu sehen.“ Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs befand sich eine schmucklose Holztüre, die R. S. mit geübten Bewegungen aufsperrte; alle drei verschwanden mit schnellen Schritten dahinter.
Sobald Jakob als Letzter über die Schwelle getreten war, verschloss der Hausmeister die Türe wieder sorgfältig. Die drei standen am Fuß einer Wendeltreppe, die sie nun in Angriff nahmen. Sie achteten sehr darauf, keinerlei Geräusch zu verursachen; die Heimlichkeit war unerlässlich für ihr Vorhaben und steigerte noch das kribbelnde Gefühl, das jedes verbotene Tun zu begleiten pflegt.
Nach zwei Stockwerken waren sie auf der Höhe des Dachbodens angelangt und standen vor einer Tür, die den Zugang zu diesem ermöglichte. Ihr Aufstieg war unbemerkt geblieben; überhaupt wurde diese Treppe nur vom Hausmeister selbst oder ab und an von Handwerkern benützt, die auf dem Dachboden etwas zu erledigen hatten. R. S. hatte aber natürlich Bescheid gewusst, dass zur fraglichen Zeit keine Störung zu erwarten gewesen war.
Jakob hob die rechte Hand und rieb, an Hermann gewandt, kurz Daumen und Zeigefinger aneinander. Die Geste war unmissverständlich und der Baron tat es Jakob gleich, der gerade seine Brieftasche hervorholte. Beide entnahmen ihren Börsen je einen Geldschein und drückten ihn dem Greißler und Hausbesorger in die Hand. Ein dankendes Kopfnicken und das Verschwinden der Banknoten in einer der Jackentaschen waren eine Bewegung. Dann deutete der Mann ihnen, vollkommene Ruhe zu bewahren, sperrte die Dachbodentür auf und ließ sie eintreten.
Auf den ersten Blick sah der Dachboden nicht anders aus, als man es erwarten konnte. Schräge Wände, einige Balken der Tramdecke sichtbar, der Boden bestand aus gewöhnlichen, rauen Brettern. Das Aussehen des Dachraumes war indes von keinerlei Belang; worum es ging, demonstrierte ihnen sogleich der Hausmeister, der mit sehr bedachten, langsamen Schritten bis etwa in die Mitte ging und sich dort auf die Knie niederließ. Aus einer seiner vielen Taschen fischte er ein einfaches, an einen Haken erinnerndes Werkzeug hervor, mit dem er ohne sichtbare Mühe ein Bodenbrett aushebelte, so dass er es anheben und beiseite legen konnte. Darunter wurde ein weiteres Brett sichtbar, in das verschieden große, kreisrunde Löcher
Weitere Kostenlose Bücher