Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
gebohrt worden waren.
R. S. erhob sich wieder, ging in eine Ecke und kehrte von dort mit einem Stapel Leintüchern zurück, die aussahen als wären sie frisch gewaschen und gestärkt. Er breitete die Tücher vor dem durchlöcherten Brett aus und winkte Jakob und Hermann heran: Sie sollten sich auf das Leinen legen. Er selbst entfernte sich von der Stelle und ging mit denselben bedächtigen, vorsichtig gesetzten Schritten, die ihn zu dem losen Brett geführt hatten, wieder zurück zur Tür. Während die Herren ihren Gelüsten frönten, würde er auf unliebsame Störungen achten und dafür sorgen, dass dies anrüchige Tun unentdeckt blieb.
Dr. Schlegel, ebenfalls darauf bedacht, bei seinen Bewegungen keinen Laut zu verursachen, sank vorsichtig auf die Knie, beugte sich nach vor und kam endlich flach auf dem Bauch zu liegen, den Kopf gerade über dem Brett mit den so viel versprechenden Aussparungen. Hermann folgte seiner Einladung, es ihm gleichzutun, und verspürte ein kitzliges Gefühl der freudigen Erwartung in sich, als er sich so zurechtlegte, dass sein Blick durch eines der Gucklöcher fiel.
Was sie zu Gesicht bekamen war ein großer Raum, beinahe ein Saal, der von einem gut acht mal fünf Meter großen, wassergefüllten Becken beherrscht wurde.
An drei Seiten wies das Badebassin eine angebaute Galerie auf, auf die in gleichmäßigen Abständen Bretterwände gesetzt worden waren. Mittels linnenen Vorhängen konnten die so entstandenen Kabinen vorne geschlossen werden, um das An- und Auskleiden der Badegäste in der gebührenden Sittsamkeit vonstattengehen lassen zu können.
Von der rundum laufenden Plattform führten mehrere Treppen in das Bassin, in dem sauberes Wasser glänzte und gluckste.
Wir befanden uns nirgends anders als direkt oberhalb des weithin bekannten Badesaales des Mädchenpensionats zu „S. C.“, der ganze Stolz der katholischen Höhere-Töchter-Schule. Denn welche Erziehungseinrichtung konnte schon sonst damit glänzen, über eine derartig interessante Anlage zu verfügen? Die Insassinnen und ebenso die Leiterinnen des Institutes nützten diese einzigartige Möglichkeit denn auch nach Kräften, denn sie bot den einmaligen Vorzug, gleich einer ganzen Gruppe von Mädchen gleichzeitigen Badespaß zu erlauben. Im Sommer war es üblich, die Pensionärinnen nach Klassen oder nach Jahrgängen geordnet in den Badesaal zu schicken – eine Regel, die zu befolgen zu den liebsten Pflichten der jungen Damen zählte.
Im Moment war jedoch noch niemand anwesend, was Jakob die Gelegenheit gab, dem Baron alle aufkommenden Fragen zu beantworten.
Hermann bewunderte vor allem den erfindungsreichen R. S., der dank der rechten monetären Motivation auf die Idee gekommen war, Löcher in die Decke zu schneiden. Allerdings wunderte ihn, dass diese Aussparungen nicht schon längst von unten bemerkt worden waren.
Jakob wusste auch dafür eine einleuchtende Erklärung. In der Mitte der Saaldecke, erläuterte er, befände sich eine große, hölzerne Rosette, ein beinahe schon antik zu nennendes Schnitzwerk. R. S. habe geschickt die vielen verschnörkelten Details ausgenützt und die Löcher so angebracht, das sie in der Dekoration praktisch unsichtbar blieben und eine Entdeckung von unten daher so gut wie unmöglich war.
Dr. Schlegel war schon einige Male hier auf der Lauer gelegen und hatte den Vorzug genossen, den Mädchen bei ihrem Badevergnügen zuzusehen und zuzuhören. Hätte es noch eines weiteren Anreizes bedurft, um Hermanns gespannte Erwartung auf ein Höchstmaß zu bringen, so enthielt ihn seine Anmerkung, dass es bei diesen Gelegenheiten keinesfalls immer so sittsam und beinahe schamhaft zugegangen war, wie es der Ruf eines der ersten Erziehungshäuser des Landes erwarten ließ.
„Wir dürfen uns heute auf das Beste freuen, was das Haus zu bieten hat“, sagte Jakob mit der Andeutung eines schmutzigen Grinsens im Gesicht. „Heute baden nämlich die Mädchen aus dem Abschlussjahrgang, alle so um die siebzehn Jahre alt. Ich habe auch schon Jüngere beobachten können, aber die haben mir nicht so zugesagt. Schau genau hin“, riet er überflüssigerweise, „denn wenn dir eine der jungen Zöglinge besonders gefällt, können wir sie uns später vom Greißler rufen lassen.“
„In den so trefflich vor Blicken verborgenen Raum, nicht wahr?“, rief Hermann, den die Begeisterung dazu verführt hatte, ein wenig die Stimme zu heben.
„Pst, ruhig“, mahnte ihn Jakob gerade noch rechtzeitig. „Ich
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