Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
jede stürzte in ihre Kabine und schlüpfte so rasch als möglich in ihre Kleider. Dann stürmten alle aus dem Saal und binnen fünf Minuten lag dieser so leer und verlassen da wie in dem Moment, in dem Hermann und Jakob ihn zum ersten Mal gesehen hatten. Nur die Wasseroberfläche, die sich weiterhin hie und da leicht bewegte, zeugte noch für kurze Zeit von den liebreizenden Ereignissen, deren die beiden Männer teilhaftig geworden waren.
Hermann und Jakob blickten einander an. Beiden hatten einen glasigen Augenausdruck, als versuchten ihre überreizten Sinne, sich auf diesem Wege eine Bahn zu brechen. Hermann hatte nichts Derartiges je zu Gesicht bekommen, und auch für Jakob hatte die glückliche Fügung, die Mädchen ganz sich selbst überlassen zu erleben, zu einem einmaligen, unvergesslichen Schauspiel geführt. Aufgewühlt und vor lauter unaufgelöster Anspannung ermattet kehrten sie an der Seite des Hausmeisters zurück in dessen Wohnung.
Hermann hatte eine Erektion, die jeden Augenblick aus der Hose zu springen drohte, er zitterte am ganzen Leib und konnte kaum ein vernünftiges Wort zustande bringen. Erst nach mehreren Minuten hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, dass er den Erklärungen seines Freundes Gehör schenken konnte.
Die beiden saßen auf einem Sofa in dem zuvor erwähnten Zimmer, herzlich froh über die schweren Vorhänge, die verhinderten, dass irgendjemand sie in diesem Zustand sehen konnte.
„Sie werden kommen“, sagte Jakob gerade. „Gewöhnlich suchen die Mädchen nach dem Bad R. S. auf, um sich eine kleine Stärkung zu kaufen.“
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen“, murmelte Hermann.
„Ja, das glaube ich dir“, lächelte Jakob. „Meine Judith, die kommt ganz bestimmt“, erklärte er weiter. Sie wüsste nämlich, dass er, ihr Bräutigam, hier auf sie warte.
„Ich habe den Greißler angewiesen, ihr gleich Bescheid zu geben. Und Judith kann es dann Vesna ausrichten, so dass auch sie sicherlich in wenigen Minuten hier sein wird.“
Dr. Jakob Schlegel war ganz außer sich. Wie sich zeigte, war er mit ganzer Seele in die junge Dame verliebt. Er erzählte Hermann alles: Wie er zum ersten Mal durch die Löcher im Dachboden geschaut hatte und sein Blick sofort auf diesen blonden Engel gefallen war; wie er sie dann zu sich hatte kommen lassen und sie hier im Kabinett die ersten Worte gewechselt hatten.
„Anfangs“, so erläuterte er mit verklärtem Blick, „war sie sehr schüchtern. Wir haben Händchen gehalten und einander verliebt in die Augen geschaut.“ Irgendwann sei dann der erste Kuss ausgetauscht worden und danach habe es nicht mehr lange gedauert, bis sich ihm die Kleine mit Leib und Seele hingegeben habe. Er gestand dem Baron P. sogar, wie oft sie seither zusammen gewesen waren und sich den Verzückungen der leiblichen Liebe hingegeben hatten.
„Weißt du“, sagte Jakob und schaute dabei Hermann aufrichtig und ernsthaft an, „ich liebe Judith von ganzem Herzen. Eines Tages möchte ich sie vor den Altar führen und als mein Weib mit nach Hause nehmen.“
Er komme nicht aus bloßer Wollust hierher, führte er weiter aus, wie so viele andere lustsüchtige Reiche der Stadt, sondern weil er in diesem wunderschönen Mädchen seine große, reine Liebe gefunden habe.
„Kommen denn viele hierher?“, fragte Hermann nach.
„In der Tat. Schau, dieser Salon hier ist geradezu ein Tummelplatz für vornehme, lüsterne Herren. R. S. hat das regelrecht durchorganisiert – bestimmte Tage und bestimmte Zeiten für bestimmte Kunden. Die kommen dann, zahlen ein Körbchengeld, und der Hausmeister bringt die gewünschten, geilen Insassinnen zu ihnen.“
„Mir selbst“, setzte er fort, „ist ein halbes Dutzend der elegantesten Herren bekannt, die wie ich hier Stammkunden sind. Sie sehen diese ausgezeichnete Erziehungseinrichtung als Bordell an und sonst nichts. Es ist aber auch wirklich kaum zu glauben, welche jedes Maß sprengende Liebeslust diesen Fräuleins innewohnt.“
Er unterbrach sich und drehte den Kopf leicht in Richtung der Tür zum Wohnzimmer. „Hör doch!“, sagte er aufgeregt. „Sie kommt! Das ist Judiths Stimme, ich erkenne sie unter Tausenden.“
Mit seinem letzten Wort öffnete sich auch schon die Tür und ein entzückender Blondschopf lugte herein; jedoch entfuhr diesem ein unterdrückter, leiser Aufschrei und blitzartig zog er sich wieder zurück.
„Judith, meine liebste Judith!“, rief ihr Jakob nach, sprang auf und eilte in das Zimmer
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