Der Tanz des Maori (epub)
blieben. Aber ich wollte ihr nicht die Freude verderben. Es war das erste Mal seit Wochen, dass ich sie überhaupt lachen sah.
»Was haben Sie mit dem Geld vor?«, wollte ich wissen.
Ava zuckte mit den Achseln. »Ich dachte daran, mich erst einmal richtig satt zu essen.« Sie lachte â ich sollte glauben, dass dieser Satz nur ein Scherz gewesen war. Dabei sah ich seit Wochen, dass ihre Kleider immer lockerer um ihre Hüften fielen, ihre Blusen auf den schmalen Schultern ohne Halt saÃen. Ava war erbarmungswürdig dünn geworden, alles, was sie zu essen bekam, gab sie Junior. »Und dann ⦠Ich weià inzwischen nicht mehr, ob ich hier in Seddonville bleiben soll. Ich möchte nicht, dass Junior als der Sohn von John Denson, dem todbringenden Raffzahn, aufwächst. Vielleicht mache ich in Christchurch einen ganz neuen Anfang. Das ist eine richtige Stadt, da will niemand etwas über meine Vergangenheit wissen â¦Â«
»Wahrscheinlich eine gute Idee«, nickte ich. »Auch wenn ich es unendlich schade finden würde. Ich habe mir immer vorgestellt, dass meine Kinder und Junior zusammen spielen würden.«
Ava umarmte mich. »Ich doch auch. Aber noch sind wir ja nicht weg. Vielleicht finde ich ja doch noch eine Anstellung hier oder in Westport.«
Ich konnte nur nicken, so groà war der Kloà in meinem Hals. Um mich abzulenken von den Gedanken an Abschied und Verlust, stellte ich eine Frage, die ich für harmlos hielt. »Wie heiÃt der Käufer denn?«
»George Cavanagh. Ich habe noch nie von ihm gehört. Klingt nach einem Iren, oder?«
Aufgeregt unterbrach Sina Ruiha: »George Cavanagh? Das war der Käufer? Aber das ist es! Brandons GroÃvater war der Käufer aus Christchurch! Die Geschichten haben doch miteinander zu tun.« Aufgeregt plapperte sie weiter. »Ich muss sofort Brandon anrufen. Nach über einem Jahr gibt es endlich eine Verbindung! Obwohl mir immer noch nicht klar ist, warum der alte Cavanagh mich nicht leiden kann. Er hat vor Jahrzehnten ein Haus von einer Frau gekauft, die mir ähnlich sieht. Das ist ja eigentlich kein Grund für eine lebenslange Fehde, oder?«
Sie verstummte erst, als sie bemerkte, dass Ruiha sie nur schweigend ansah.
»Da steckt mehr dahinter, richtig?«
Ruiha nickte nur.
»Und du willst, dass ich die ganze Geschichte höre?«
Wieder ein Nicken.
»Aber ich dachte, du erkennst Brandon nicht wieder?«
Erst jetzt antwortete Ruiha ihr. »Ich will ehrlich sein: Ich möchte, dass du die ganze Geschichte erfährst. Und ich will nicht vorgreifen. Um die Wahrheit zu sagen, kenne ich diese Geschichte nicht ganz, so manche Lücke kannst nur du schlieÃen.«
Sina blieb nichts anderes übrig, als die Bedingungen der alten Frau zu akzeptieren. Trotzdem schüttelte sie widerwillig den Kopf. »Meinst du nicht, dass mir mehr geholfen wäre, wenn ich sofort erfahre, warum dieser George Cavanagh so wütend auf mich ist? Bis jetzt klingt es ja nicht so, als ob er einen Grund dazu hat. Merkwürdig eigentlich, dass er sich nach so langer Zeit überhaupt noch an das Aussehen von Ava erinnert hat.«
Ruiha sah Sina nur schweigend an. Statt einer Antwort meinte sie schlieÃlich: »Die Wahrheit sucht sich immer ihren Weg. Ich kann dir dabei helfen â aber du musst sie am Ende selber enthüllen â¦Â«
Sina gab auf. Sie hob die Hände. »Okay, ich höre mir die Geschichte komplett an. Auch wenn ich noch immer nicht verstehe, was das alles mit mir zu tun hat!«
Ruiha nickte. »Du wirst es noch sehen.«
21.
George Cavanagh war ein unproblematischer Käufer. Er wies das Geld an, ein Kaufvertrag wurde per Post nach Christchurch und wieder zurückgeschickt â und schon hatte Ava wieder genug Geld, um sich etwas Ordentliches zu essen zu kaufen und auch ein wenig neue Kleidung für Junior schneidern zu lassen. Der Kleine war in der Zwischenzeit gewaltig gewachsen und passte in kein einziges seiner Kleidungsstücke mehr hinein. AuÃerdem brauchte er Schuhe, er rannte jetzt durch das ganze Haus und versuchte sich mit eisernem Ehrgeiz am Erklimmen der Treppen.
Ava fing an, nach einer erschwinglichen Mietwohnung zu suchen. Aber hier zeigte sich das, was ihr bei ihren Versuchen, Arbeit zu finden oder Wertsachen zu verkaufen, begegnet war: Sobald die Menschen hörten, wer ihr Mann gewesen war, wollten sie nichts mehr mit ihr zu tun haben.
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