Der Tanz des Maori (epub)
einmal mit Miriam darüber unterhalten. AuÃerdem wollte ich auf keinen Fall Ava alleine lassen. Ich fürchtete, dass sie an diesem Tag keine wohlüberlegten Entscheidungen fällen würde.
Wir fanden Miriam in ihrem Zimmer, die Vorhänge waren zugezogen. Offensichtlich keiner ihrer guten Tage. Marama hatte nur nach oben gedeutet. »Sie ist heute wieder wie von Sinnen, ihr könnt sie gerne besuchen. Hauptsache, ich muss heute nicht mehr zu ihr!«
Ava sah mich fragend an.
»Sie hat bessere Tage. Und nicht so gute«, erklärte ich. »Es ist schwer zu sagen, woran das liegt â¦Â«
Ava betrat das Schlafzimmer der Densons das erste Mal seit der tragischen Totgeburt von Miriams kleinem Mädchen. Sie öffnete ohne groÃe Umschweife die Vorhänge und drehte sich dann zu Miriam um, die ohne eine Regung in ihrem Sessel saÃ. »Liebste Miriam«, murmelte Ava und lieà sich vor ihrer ehemaligen Kinderfrau auf die Knie fallen. »Was ist nur mit dir geschehen?«
Miriam sah Ava mit leerem Blick an. Ich war mir für einen Moment nicht einmal sicher, ob sie Ava erkannte. Dann tauchte allerdings ein winziges Lächeln auf ihren Lippen auf. »Ava! Schön, dass du hierherkommst. Wo ist Junior?« Wir hatten ihn bei Marama gelassen, um Miriam nicht noch mehr durcheinanderzubringen.
Ava deutete zur Treppe. »Er ist bei Marama. Möchtest du ihn sehen?«
Miriam nickte, ihr Gesichtsausdruck sah mit einem Mal fast glücklich aus. Ich lief nach unten und holte den Kleinen. Er sah sich neugierig um, als er in den Raum ging. Dann deutete er auf Miriam. »Mama?«
Miriam brach in Tränen aus. Sie konnte nicht ahnen, dass Junior gerade in dem Alter war, in dem Kinder fast jede Frau als »Mama« bezeichneten. Das Wort »Papa« kannte er nicht â¦
Mit einer schnellen Bewegung lieà Miriam sich auf den Boden zu dem kleinen Jungen gleiten und nahm ihn kurz in den Arm. Er war so verblüfft, dass er es einfach über sich ergehen lieÃ. Zum Glück besann Miriam sich dann wieder auf alles, was sie mit ihren vielen Geschwistern gelernt hatte. Sie krabbelte hinter den Sessel, versteckte sich und lieà sich von Junior finden. Er quiekte vor Vergnügen. »Mehr!«
Seiner Ansage, dass sie weiter mit ihm spielen sollte, gehorchte Miriam bereitwillig. In den nächsten Minuten verwandelte sie sich von einer völlig apathischen Frau in das lebenslustige Mädchen, das sie einst gewesen war. Ich sah Avas nachdenkliches Gesicht. Für Miriam wäre die Adoption von Junior eine heilsame Sache, daran gab es keinen Zweifel. Aber sollte sie wirklich ihren Liebling loslassen, um Miriam diesen Gefallen zu tun â und um ganz nebenbei damit auch alle finanziellen Probleme zu lösen?
Es verging eine halbe Stunde, in der wir schweigend Junior und seine neu gefundene Spielgefährtin betrachteten. Dann räusperte Ava sich vorsichtig. »Miriam? Wir müssen etwas besprechen. Es geht um Junior.«
Miriam hörte die Anspannung in Avas Stimme und sah sie mit völlig klarem Blick an. Da war nichts Abwesendes mehr, nichts Wahnsinniges. Sie richtete sich auf. »Was gibt es, Ava?«
Ava deutete auf Junior. »Ich kann nicht länger für ihn sorgen. Ich habe keine Ahnung, was du in den letzten Monaten von der AuÃenwelt mitbekommen hast. Aber vielleicht weiÃt du, dass mein verstorbener Gatte als der Schuldige für das Unglück von Matakite gilt?«
Miriam runzelte verwirrt die Stirn. »Aber er hat sich doch immer für die Sicherheit in seinen Bergwerken eingesetzt. Warum hat er es dann anders in seiner eigenen Mine gehalten?«
Ava verzog ihr Gesicht. »Das hat er auch nicht. Die Mine ist wegen fehlender Stützpfeiler eingestürzt â und deren Fehlen hat wohl eher Angus als John zu verantworten. Trotzdem hat Angus es geschafft, dass alle Welt glaubt, John wäre der geldgierige Idiot gewesen, der das Leben seiner Arbeiter leichtsinnig aufs Spiel gesetzt hat.«
Ich konnte Miriam ansehen, dass sie von der ganzen Geschichte nichts ahnte. Ihr Gesicht zeigte ihr ganzes Entsetzen, als Ava genau erklärte, was in den letzten Wochen und Monaten passiert war. SchlieÃlich endete Ava: »Ich muss also akzeptieren, dass ich aus dem Haus, in dem ich lebe, in ein paar Tagen vertrieben werde. Mein Geld reicht bei Weitem nicht, um die Verpflichtungen, die sich aus Johns Vertrag mit Angus ergeben, begleichen zu können.
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