Der Tanz des Maori (epub)
Ich finde keine Unterkunft und kann es mir auch nicht leisten, irgendwo anders hinzufahren. Darüber hinaus habe ich keine Chance auf eine halbwegs ehrbare Arbeit. Kurz: Ich stehe am Abgrund.«
»Kann ich dir nicht helfen?«, fragte Miriam zögernd. »Ich könnte Angus doch Geld stehlen und es dir geben. Vielleicht merkt er es ja nicht â¦Â« Ihre Stimme brach ab, als ihr klar wurde, was wohl passieren würde, wenn Angus ihr bei so einer Art von Betrug auf die Schliche kommen würde.
Ava schüttelte sofort den Kopf. »Ich weiÃ, dass du alles für mich riskieren würdest, aber das geht nicht. Früher oder später würde Angus merken, wem du Geld gibst, und ich müsste für den Rest meines Lebens mit der Schuld leben, dass du wegen mir zum Krüppel geschlagen worden bist. Angus ist schlimm genug, auch wenn er nicht gereizt wird â¦Â«
Miriam nickte nur. »Aber ich muss doch irgendetwas für dich tun können!«
»Das kannst du auch«, erklärte Ava. »Angus hat mir einen einzigen Ausweg angeboten. Wenn ich ihm Junior überlasse, dann zahlt er meine Reise nach Hamburg. So kann ich all meine Schulden und meinen schlechten Ruf hinter mir lassen. Leider muss ich auch meine Freunde â also euch! â hier zurücklassen. Und meinen Junior würde ich nie mehr sehen. Er würde hier bei dir und Angus aufwachsen. Das bringe ich nur übers Herz, wenn du mir in die Hand versprichst, dass du dich um ihn wie um einen eigenen Sohn kümmerst!« Sie griff nach Miriams Hand, nahm sie in beide Hände und sah Miriam flehend in die Augen. »Würdest du das für mich tun? Mir versprechen, dass es Junior immer gut geht und er niemals einsam ist, wenn er nach seiner Mutter weint? Würdest du ihn im Notfall auch vor Angusâ Zorn bewahren?«
Miriam sah den kleinen Jungen an, der in diesem Augenblick geistesabwesend mit einer Troddel an einer Gardine spielte. Dann sah sie Ava fest in die Augen. »Ich schwöre, dass ich Junior beschützen, bewahren und lieben werde. Er ist der kleine Junge, den ich leider nicht bekommen habe. Ich werde ihn mit meinem Leben beschützen, das musst du mir glauben!«
Ava nickte.
Vorsichtig fragte sie weiter. »Könntest du mir wenigstens einmal im Jahr heimlich einen Brief schreiben, in dem du mir sagst, wie es ihm geht? Und wenn er erwachsen ist: Kannst du ihm erklären, warum seine Mutter ihn im Stich gelassen hat? Kannst du das für mich tun?«
Fassungslos sah ich zu, wie diese beiden Frauen einen Pakt schmiedeten. Einen Pakt, der für mein Gefühl eher ein Bund mit dem Teufel war. Konnte es wirklich sein, dass dieser Angus mit seinen düsteren Plänen gewonnen hatte? Das durfte doch einfach nicht sein ⦠Aber vor meinen Augen nahmen sich Ava und Miriam an den Händen und schworen sich zu einem Bündnis für Junior ein.
Aber damit waren Avas Pläne noch nicht am Ende. Als sie Miriam alle Versprechen abgenommen hatte, wandte sie sich mir zu. »Liebe Ruiha, du hast nur hier bei den MacLagans ein Stellenangebot, ist das richtig?«
Ich nickte.
»Warum nimmst du es dann nicht an? Du könntest Miriam bei der Erziehung von Junior helfen â und ihr auch den Rücken gegen Angusâ Launen stärken. Denn er wird immer wieder unerträglich sein, egal, was er in der Zukunft plant!«
Ich wagte in diesem Augenblick nicht, zu sagen, dass ich vor Angus und seinen versteckten Annäherungsversuchen Angst hatte. Bei jedem Treffen hatte er mich bisher mit den Augen ausgezogen, war mir zu nahe gerückt und hatte mich mit seinen Scherzen unsicher gemacht. Was würde nur passieren, wenn ich ihm plötzlich jeden Tag begegnete? Aber ich wollte meinen Freundinnen nicht mit meinen kindischen Bedenken die Pläne für die Zukunft verderben. Also nickte ich nur.
Miriam jubelte auf und fiel mir um den Hals. »Du hast keine Ahnung, was mir das bedeutet. Nichts gegen Marama, aber sie ist nur ein kleines Mädchen. Aber mit dir und Junior fühle ich mich plötzlich wieder fast wie früher. Mit dir zusammen wird alles wunderbar!«
Ich konnte nichts sagen. Miriam malte sich die Zukunft in rosigen Farben aus, wo ich nur schwarze Wolken und nahendes Unglück sah. Ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu erklären, was ich wirklich von dieser Sache hielt.
Wir spielten noch eine Weile mit Junior, dann hörten wir alle die Tür im Erdgeschoss und
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