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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Anblick meiner Vergewaltigung Miriam noch näher an den Abgrund gestoßen hatte. Sie, deren Gemütszustand ohnehin schon starken Schwankungen unterworfen war, hatte mehr gesehen, als man ihr zumuten durfte. Mühsam stand ich auf und ging zu ihr. Dann nahm ich sie in den Arm und versuchte sie zu trösten. Immer wieder sagte ich ihr: »Alles wird wieder gut, alles wird wieder gut!« Kein Wunder, ich wollte so sehr daran glauben. Dass alles wieder gut werden würde. Dass sich nicht viel in meinem Leben geändert hatte, nur eine böse Erinnerung, die im Lauf der Zeit blasser werden würde. Das wollte ich wirklich glauben. Miriam schien mich aber nicht zu hören, nicht einmal zu spüren, dass ich sie festhielt.
    Es verging bestimmt eine Stunde, bis ich aufgab. Ich schleppte mich zu dem großen Wasserkessel und stellte ihn auf den Ofen, in dem zum Glück immer noch ein wenig Glut war. Dann fachte ich das Feuer wieder an und machte mir selbst ein heißes Bad. Miriam war keine Hilfe. Sie saß weiter auf dem Boden und wiederholte ohne Sinn und Zweck meinen Namen. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, aber ich war mir sicher, dass sie jetzt nicht mehr einfach nur melancholisch war. Miriam hatte endgültig den Verstand verloren. Sie sah mir mit glanzlosen Augen zu, wie ich meine befleckten Kleider auszog und in die Badewanne stieg. Als ich mir die Haut mit einer harten Bürste fast von den Knochen rubbelte, schien sie nichts zu bemerken. Und als ich aus dem fast erkalteten Wasser stieg, murmelte sie zwar immer noch meinen Namen – aber meine unzähligen blauen Flecke und Kratzer sah sie nicht.
    Ich wickelte mich in ein großes Handtuch und führte Miriam vorsichtig in ihr Zimmer. Sie legte sich ohne Widerspruch in ihr Bett und schloss die Augen.
    Erst dann wankte ich in meine eigene Kammer, die ich sorgfältig von innen verschloss, legte mich zwischen die Laken und schloss die Augen. Ich konnte den weingeschwängerten Atem von Angus immer noch riechen, spürte immer noch seine Hände auf meiner Haut, sein Geschlechtsteil in mir. Aber erst jetzt dachte ich das erste Mal an Anaru.
    Was sollte nur aus seinen Plänen mit uns werden? Wie konnte ich ihm von dieser Nacht erzählen? Wie konnte ich ihm jemals wieder in die Augen blicken? Zum ersten Mal löste sich jetzt in meiner Kehle ein trockenes, heiseres Schluchzen. Ich weinte um meine Jugend, die vorbei war, meine Unschuld, die mir geraubt worden war. Und vor allem um Anaru, dessen Leben jetzt von Hass überschattet sein würde. Irgendwann muss ich mich in den Schlaf geweint haben …

25.
    Der nächste Morgen fing auf gespenstische Weise genauso an, wie jeder andere Morgen im Hause der MacLagans. Ich wachte auf und fühlte mich wund und zerschlagen – aber ich zog mir trotzdem ein frisches Kleid an und ging in die Küche, um für Junior das Frühstück vorzubereiten. Nur wenig später wachte er auf. Ich zog ihn an, wir setzten uns an den Tisch und frühstückten zusammen. Er trank seine warme Milch und aß sein Porridge, ich hatte meine heiße Tasse Tee. Die Normalität tat mir gut, die Geschehnisse der Nacht wurden ein bisschen weniger grell, fühlten sich eher wie ein besonders bösartiger Albtraum an. Ich genoss den Frieden, freute mich an dem kleinen Jungen, der heute gut gelaunt mit seinem Haferbrei spielte, kleine Täler hineindrückte und einen Berg auftürmte, den er dann wieder begeistert vernichtete und aufaß. Hin und wieder lauschte ich, was im Rest des Hauses vor sich ging. Anfangs war ich mir ja nicht einmal sicher, ob Angus überhaupt hier übernachtet hatte oder ob er wieder zu Betty zurückgegangen war. Aber schon bald vernahm ich seine Schritte Richtung Badezimmer – und wenig später hörte ich, wie Angus die Treppe hinunterkam und die Tür ins Schloss schlug. Er legte heute Morgen wohl keinen Wert auf meine Gesellschaft. Womöglich war ihm sein betrunkenes Verhalten gestern sogar peinlich – immerhin hatte er zugegeben, eine Maori zu begehren! –, aber das änderte nichts daran, dass ich ihn brennend hasste. Jede Zelle meines Körpers wünschte ihm Krankheit und Verderben, gleichzeitig spürte ich fast körperlich die Angst, die ich vor ihm hatte.
    Es wurde wieder still in dem großen Haus. Nach einer Weile gingen Junior und ich auf den Markt. Ich hielt meinen Blick gesenkt, weil ich fürchtete, jeder könnte mir

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