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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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verständlich, dass ich ihr das Kind abgenommen hatte – sie sollte ihre Ruhe haben. So vergingen die Monate. Mein Leib wurde immer schwerer und runder, aber niemand schien es zu bemerken. Eine Maori wurde von den meisten einfach übersehen … Da hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu viel geändert.«
    Â»Wie ging es denn Junior in der Zeit?«, wollte Sina wissen.
    Â»Unverändert. Er wollte von Angus nichts wissen, klammerte sich an mir fest und weinte nachts.« Ruiha biss sich auf die Lippen. »Vielleicht habe ich mich zu wenig um ihn gekümmert, vielleicht hätte er noch mehr Liebe gebraucht. Ich weiß es nicht. Aber ich war meistens mit mir selbst beschäftigt – immerhin trug ich ein Kind in meinem Bauch, das ich nicht lieben wollte, aber das sich trotzdem immer mehr in mein Bewusstsein schlich. Ich erinnere mich, dass ich ihn oft im Garten fand. John saß häufig einfach auf einem Stuhl und starrte in Richtung Horizont – so als ob er dort irgendetwas sehen würde, das ihm sehr viel schöner als seine Wirklichkeit vorkam. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich damit nicht zu viel Tiefgründigkeit in einem kleinen Jungen gesehen habe, der einfach nur sehr einsam war.« Sie zuckte mit den Achseln. »Und dann brachte ich Ewan zur Welt.« Ihre Stimme verriet keine Gefühle.
    Sinas Neugier gewann die Oberhand. »War es eine leichte Geburt? War Angus dabei?«
    Mit einem milden Lächeln sah Ruiha sie an. »Du willst alles ganz genau wissen, oder? Ja, es war eine leichte Geburt. Es dauerte nur drei oder vier Stunden, bis Ewan da war. Die Hebamme hatte wenig zu tun, sie musste ihn nur abnabeln – und lief dann auch schon weiter zur nächsten Geburt. Anaru hat sehr viel später Witze darüber gemacht, dass ich Kinder in der gleichen Zeit zur Welt bringen konnte, in der andere einen Braten zubereiten. Zu deiner anderen Frage: Angus war tatsächlich im Haus. Er wartete in seinem Arbeitszimmer, bis die Hebamme gegangen war und kam dann mit einem zufriedenen Gesicht zu mir. ›Ich habe dir gesagt, dass ich einen Sohn bekommen würde!‹ Dann nahm er das kleine Bündel in den Arm und sah es mit einem liebevollen Blick an. So, als ob er ahnen würde, dass er das einzige leibliche Kind seines Lebens in den Händen hielt. ›Er soll Ewan heißen, wie mein Großvater!‹, erklärte er noch. Dann tätschelte er mir die Wange, als ob ich eine wertvolle Zuchtstute sei, und murmelte noch ein ›Gut gemacht!‹. Ich würgte fast, als er mich berührte.«
    Â»Wie lange bist du noch geblieben?«, wollte Sina wissen.
    Â»Drei Monate. Er kündigte unser Hausmädchen, entlohnte es hoch und nahm ihr das Versprechen ab, dass sie niemals ein Wort über ihn verlieren würde. Dann ließ er noch eine Woche ins Land gehen, fuhr an die Westküste. Als er wiederkam, brachte ich ihm Ewan an den Bahnhof, und er brachte ihn heim – er erzählte jedem, dass seine Frau bei der Geburt gestorben sei. Eine tragische Geschichte. So ein gutaussehender Witwer, der sich rührend um seinen Sohn kümmert, ist natürlich bei den jungen Damen der Gesellschaft beliebt. Es vergingen keine sechs Wochen, schon verlobte er sich mit einem jungen Ding. Bridget war fröhlich und unbeschwert, kümmerte sich liebevoll um Ewan und versuchte wenigstens ihr Glück mit Junior. Ich hatte ein gutes Gefühl, sie mit den Kindern alleine zu lassen. Außerdem kaufte Angus sich in dieser Zeit sein erstes großes Schiff, das künftig Kriegsmaterialien über den Pazifik bringen sollte. Das Geld, das ihm die Coal Company für Matakite gezahlt hatte, reichte dafür aus. Denn zwei Jahre, nachdem Ewan zur Welt kam, brach der große Krieg aus. So wie Angus es schon so viele Jahre vorhergesehen hatte … Meine Sehnsucht nach Anaru war größer, als meine Sorge um mein Kind und den kleinen Junior. Vielleicht habe ich mich schuldig gemacht, als ich die beiden Kinder verließ …«
    Â»Wenn ich das richtig sehe, dann hat sich in der ganzen Geschichte nur einer schuldig gemacht: Angus«, erklärte Sina.
    Ruiha wiegte nachdenklich den Kopf. »So einfach sollte ich es mir nicht machen. Welche Mutter verlässt einfach ihren Sohn, ohne noch einen einzigen Blick zurückzuwerfen? Ich kehrte nach Seddonville zurück – das Haus der Densons war inzwischen in meinen Besitz übergegangen – und

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