Der Tanz des Maori (epub)
sitze hier schon seit gestern und hoffe, dass du endlich nach Hause kommst. Im Krankenhaus haben sie nur gesagt, dass du ein langes Wochenende freigenommen hast. Wo kommst du her?« Er küsste sie noch einmal. »Ach, egal! Hauptsache, du bist da.« Wieder nahm er sie in den Arm und zog sie dabei sanft in Richtung Schlafzimmer. Sina folgte ihm willig. Mit einem Mal erschien ihr die Gegenwart mit Brandon sehr viel wichtiger als Geschichten über GroÃmütter und GroÃväter aus einer längst vergangenen Zeit.
Hastig öffnete sie Brandons Gürtel und zog seine Jeans nach unten. Er stöhnte auf und zerrte gleichzeitig ihr T-Shirt über ihren Kopf. Mit zärtlicher Liebe hatte das nichts zu tun. Die beiden wollten nur noch eines, und das wollten sie beide: unbedingt wieder eins sein und damit die lange Zeit des Wartens und des stillen Verlangens endlich beenden. Nach einigem Kampf mit ReiÃverschlüssen, Ãrmeln und Hosenbeinen sanken sie auf das Bett. Nackt. Sina drängte sich mit aller angestauten Sehnsucht der letzten Wochen an ihn und zog ihn auf sich. Sie liebten sich hastig, verzweifelt und so, als hätten sie keine Zeit. Viel zu schnell mussten sie schwer atmend und verschwitzt voneinander ablassen. Brandon wälzte sich auf den Rücken und streichelte ihren Bauch. »Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe!«, murmelte er zärtlich.
Sie grinste ihn an. »Eine kleine Ahnung habe ich nach deiner BegrüÃung schon.« Sie richtete sich auf. »Und ich möchte ja nicht unromantisch sein, aber solltest du dich nicht um dein Essen kümmern? Als ich gekommen bin, roch es viel zu lecker, als dass wir es jetzt einfach anbrennen lassen sollten.«
Mit einem Fluch sprang Brandon aus dem Bett und rannte in die Küche. Sina sah ihm einen Augenblick hinterher, dann zog sie ein frisches T-Shirt aus dem Schrank und folgte ihm. Er stand am Spülstein, einen dampfenden Topf in der Hand, auf dessen Boden eine schwärzliche Masse unheilvoll qualmte und alles andere als Appetit anregend roch. Er sah sie mit einer entschuldigenden Miene an. »Jetzt habe ich mir unser Willkommensessen seit gestern Abend in allen Farben ausgemalt â und alles ist angebrannt.« Er schnitt eine Grimasse. »Ich fürchte, wir müssen doch zu dem Thailänder um die Ecke gehen.«
Sina schüttelte den Kopf. »Viel zu viel Aufwand. Was hältst du davon, wenn wir uns das Essen bringen lassen? Ich muss dir so viel erzählen â und ich will alles aus Vanuatu wissen, alles! Sind die Frauen der Südsee wirklich so schön?«
»Woher soll ich das wissen? Ich saà doch die ganze Zeit auf meinem groÃen, lecken Schiff und habe auf die Reparaturmannschaft gewartet. Alles, was ich tun konnte, war, in der Sonne zu braten, an dich zu denken und jeden Tag ein gutes Buch zu lesen.«
»Und jetzt ist das Ding repariert, und du bist nach Hause gefahren?« Sina sah verwirrt aus. »Das geht doch gar nicht so schnell!«
Brandon schüttelte den Kopf. »Nein. Das Ding ist immer noch leck. Aber ich habe mir die Erlaubnis geholt, wenigstens für zehn Tage nach Hause fahren zu dürfen. Noch einmal zwei Monate ohne dich hätte ich nicht durchgehalten.«
Sina schenkte ihm ein Lächeln. Nach dem ersten Rausch des Wiedersehens konnte sie jetzt nur noch an Ruihas Geschichte denken. Sie musste sie Brandon erzählen. Unbedingt. Aber jetzt sofort? Sie genoss doch gerade die friedliche Stimmung, das Wiedersehen ⦠Vielleicht sollte sie ihm doch erst morgen beim Frühstück die Wahrheit über seine und ihre Familie erzählen? Noch einen unbeschwerten Abend und eine sorglose Nacht genieÃen. Für sich beschloss Sina, dass ein Geheimnis, das seit über einem halben Jahrhundert ruhte, getrost noch eine weitere Nacht nicht angerührt werden konnte.
Tatsächlich verbrachten sie einen wunderbaren Abend und eine leidenschaftliche Nacht â erst beim Frühstück beschloss Sina, dass sie ihre Geschichte unmöglich weiter für sich behalten durfte. Sie nahm einen groÃen Schluck Kaffee, bevor sie einen Anfang suchte.
»Du hast noch gar nicht gefragt, wo ich gestern überhaupt hergekommen bin!«
Schuldbewusst nickte Brandon. »Stimmt, habe ich ganz vergessen. Aber vielleicht willst du es mir ja auch gar nicht erzählen?«
»Doch«, erklärte Sina. »Aber es ist ein wenig kompliziert, deswegen habe
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