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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Neuseeländischen Alpen dauerte damals eine Ewigkeit. Es dämmerte, als wir endlich in Christchurch ankamen. Ich hielt Junior auf meinem Arm, machte aber mindestens so große Augen wie er. Bis zu diesem Zeitpunkt war Westport die größte Stadt, die ich je gesehen hatte. Christchurch war riesig dagegen. Viele Autos, wenige Kutschen, sogar eine Trambahn. Die Menschen hasteten durch die Straßen, ohne dass ich erkennen konnte, was ihr Ziel war. Immer wieder flüsterte ich Junior beruhigend ins Ohr, dass er sich ganz bestimmt schnell an all diese Menschen gewöhnen würde – aber in Wirklichkeit wollte ich nur mich selbst beruhigen. In diesen Menschenmassen musste man sich doch einfach verirren!
    Angus bestellte ein Taxi, das uns zu einer kleinen Pension brachte. Auch auf dem Weg konnte ich die Augen nicht von den vielen Häusern und den hastenden Menschen nehmen.
    An der Pension angelangt, fragte Angus nach den beiden Räumen, die er reserviert hatte. Einen für sich selbst, den anderen für seinen Sohn mit Kindermädchen. Der Mann an der Rezeption sah ihn freundlich an. »Und die Reservierung lief auf ihren Namen, Mister …?«
    Er sah ihn fragend an.
    Angus zögerte keine Sekunde mit seiner Antwort: »George Cavanagh.«

28.
    Sina entfuhr ein Schreckensschrei. »Nein!«
    Ruiha unterbrach ihre Erzählung und sah sie ruhig an. »Doch. Er hat einfach seinen Namen gewechselt, so wie andere ein frisches Hemd anziehen oder die Unterwäsche wechseln. Ich nehme an, er fürchtete, dass seine Beteiligung an dem Matakite-Unglück eines Tages doch noch auffliegen würde.«
    Sina schüttelte noch einmal den Kopf. »Das ist es nicht.« Ihre Stimme bekam einen anklagenden Ton. »Du hast es die ganze Zeit gewusst. Und du hast mir keinen Ton gesagt!«
    Â»Nicht die ganze Zeit.« Ruihas Stimme blieb gelassen. »Erst als du mir Brandon vorgestellt hast, wurde mir klar, wie eng deine Geschichte mit meiner verwoben ist. Doch dann hielt ich es erst recht für wichtig, dass du die ganze Geschichte kennst …«
    Auf Sinas Stirn zeichnete sich weiter eine steile Falte ab. »Das ist es nicht. Du hast gewusst, warum George Cavanagh mich vom ersten Blick an nicht leiden konnte – und dass …« Erschrocken legte Sina die Hand an ihren Mund. Erst in diesem Augenblick wurde ihr die ungeheuerliche Wahrheit, die Ruiha ihr soeben eröffnet hatte, in vollem Umfang klar. Mit großen Augen sah sie die alte Frau an. »Ist Brandon etwa mein Cousin?«, stammelte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen. »Dürfen wir deswegen nicht zusammen sein? Hat der alte Cavanagh sich deswegen zwischen uns gestellt?«
    Ruiha legte beschwichtigend ihre Hand auf Sinas Arm. »Nein. Du bist mit Brandon nicht verwandt. Er ist nicht der Sohn von Junior. Erinnere dich: Brandons Vater heißt Ewan.«
    Verwirrt erwiderte Sina Ruihas Blick. Was hatte Brandon noch einmal von seinem versoffenen Onkel erzählt? Der sich nur in den Häfen des Pazifiks aufhielt und nur wenig richtig machte? John. John, der nur dazu taugte, eine Schnapsflasche aufrecht zu halten. »Der kleine Junior ist heute ein Säufer …«, murmelte sie – um nur einen Wimpernschlag erneut aufzufahren. »Aber das bedeutet, dass Ewan … dein Sohn ist?« Fragend sah sie die alte Frau an.
    Die erwiderte einige Augenblicke schweigend ihren Blick und nickte dann langsam. Ihre Stimme klang brüchig, als sie endlich etwas sagte. »Brandon ist mein Enkel.« Es schien fast, als ob sie ihren eigenen Worten nicht traute, denn sie wiederholte noch einmal: »Er ist mein Enkel. Aber ich habe nichts von ihm geahnt. Bis zu dem –«
    Für einen Moment herrschte Schweigen zwischen den beiden Frauen. Vorsichtig fragte Sina noch einmal nach: »Und du hast nichts von seiner Existenz gewusst? Du hast niemals nach Ewan gefragt?«
    Langsam schüttelte Ruiha den Kopf. »Hätte ich nach ihm geforscht, dann wären längst verheilte Wunden aufgerissen. Und Anaru durfte bis zu seinem Tod nicht erfahren, was eigentlich das Geheimnis meines Jahres in Christchurch war. Sein Zorn wäre niemals verjährt, er hätte Angus – oder George – ganz sicher heimgesucht und meine Schande gerächt. Nein, ich wollte mein Leben leben, wollte glücklich sein und hab mich nicht mehr um das Schicksal meines Erstgeborenen gekümmert. Angus MacLagan habe ich in dem Moment aus

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