Der Tanz des Maori (epub)
Wahrheit? Was ist Lüge?«
Hakopa stand wieder auf, füllte den Wasserkocher und schaltete ihn an. Mit gemessenen Bewegungen bereitete er den Tee vor, schüttete schlieÃlich das Wasser auf die Blätter und beobachtete die Sekundenzeiger, bis drei Minuten vorüber waren. In der ganzen Zeit erfüllte nur das Singen des Wassers und das Ticken der Uhr den kleinen, sonnigen Raum. Dann holte Hakopa tief Luft.
»Ich schlage vor, ich telefoniere mit meiner Mutter, um ihr vom Tod ihrer Mutter zu erzählen. Dann kümmere ich mich um ein Beerdigungsunternehmen â und sorge dafür, dass Ruiha bis morgen hier in ihrem Haus aufgebahrt bleiben kann. Wenn das alles getan ist, dann setzen wir uns in den Garten, und du erzählst mir alles, was Sina dir gesagt hat. Und dann überlegen wir uns, wie wir die Wahrheit herausfinden können.« Er zeigte nach oben. »Das Haus hat einen groÃen Speicher, auf den seit Jahrzehnten einfach alles, was man nicht mehr brauchen kann, gebracht wurde. Ich kann mir gut vorstellen, dass da oben Beweise für die Wahrheit liegen. Ein Leben hinterlässt immer Spuren, manche mehr, manche weniger tief â wir müssen nur nach ihnen sehen.«
Brandon nickte. »So machen wir es. Kann ich dir helfen?«
Die nächste Stunde verbrachte er damit, Beerdigungsinstitute in Seddonville und Westport anzurufen. Hakopas Mutter kam und weinte haltlos über dem Leichnam ihrer Mutter. Hakopa nahm sie sanft in den Arm. »Wenigstens ist sie jetzt bei ihrem Anaru!«, murmelte er immer wieder in ihr Haar. Das schien seine Mutter zu beruhigen. Gemeinsam brachten sie Ruiha in ihr Schlafzimmer und bahrten sie auf dem Bett auf. Dann machte sich Hakopas Mutter daran, ihre Brüder und die übrige Verwandtschaft zu benachrichtigen.
Die beiden Freunde lieÃen sie mit dieser Aufgabe allein und gingen in den Garten. Schweigend setzten sie sich an den Tisch, an dem auch Sina und Ruiha schon so viele Stunden miteinander verbracht hatten.
»Also â jetzt erzähle mir doch einfach der Reihe nach, was Sina angeblich von meiner GroÃmutter erfahren hat. Dann können wir uns überlegen, was wir damit anstellen â¦Â« Hakopa sah Brandon auffordernd an. Der nickte und fing an zu erzählen. Immer wieder runzelte er die Stirn und dachte nach, um alle Einzelheiten so genau wie möglich wiederzugeben â auch wenn er wusste, dass Sina schon einiges weggelassen hatte. Es vergingen ein oder zwei Stunden, bis er aufhörte.
Hakopa fingerte nachdenklich an dem Jadestück herum, das er um seinen Hals trug. »Sie hat wirklich zeit ihres Lebens nie etwas angedeutet. Wir waren alle immer der Meinung, dass sie ein besonders schönes, ruhiges Leben an der Seite von ihrem Anaru geführt hat. Schwer zu glauben, dass sie so ein Geheimnis mit sich herumgetragen hat, ohne ein Wort zu sagen.«
Brandon nickte. »Und warum hat sie sich ausgerechnet Sina anvertraut? Nur wegen der Ãhnlichkeit mit Ava? Was hat Ruiha denn von ihrer Jugend erzählt?«
Hakopa lächelte. »Nicht viel. Sie ist früh in den Dienst von John Denson getreten, hat bei seiner Frau erst gelernt, wie man kocht, und hatte wohl auch viel SpaÃ. Als John Denson starb, hat sie seinen Sohn bei Angus MacLagan weiter betreut. Bis Angus an die Ostküste zog. Da ging Ruiha noch mit und bekam als Lohn das alte Haus der Densons â in dem sie bis zum Schluss gelebt hat.«
Brandon dachte an die Hausüberschreibung, die er im Archiv der Pacific Shipping Company gefunden hatte. Zögernd nahm er das alte Dokument aus seiner Tasche und reichte es Hakopa. Der las es sich stirnrunzelnd durch und gab es dann Brandon zurück.
»Es beweist, dass sie das Haus von George Cavanagh überschrieben bekommen hat. Das Haus, das auch ein George Cavanagh gekauft hat, wie wir aus Ruihas Erzählung wissen. Aber ob deswegen dieser Angus und dieser George dieselbe Person ist? Dafür müssten wir wohl ein Foto sehen ⦠es ist immerhin möglich, dass die beiden einfach nur Geschäftspartner waren.«
Er sah zum Haus hin. »Lass uns in den Speicher gehen. Mit ein bisschen Glück finden wir einen Hinweis. Irgendetwas, das die Geschichte meiner GroÃmutter besser belegt als diese Kopie. Obwohl die schon ein ziemlich deutlicher Hinweis ist â¦Â« Hakopa rempelte seinem Freund mit einem schiefen Grinsen in die Seite. »Dann wären wir plötzlich verwandt. Wäre
Weitere Kostenlose Bücher