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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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sofort zu deiner Großmutter kommen. Ich habe sie gerade eben gefunden. Ich glaube, sie ist …«
    Brandon schaffte es nicht, das Wort »tot« über seine Lippen zu bringen. Er ahnte, wie sehr Hakopa an der Frau hing. Im Hörer hing für einen Augenblick nur Schweigen. Dann meldete sich Hakopa mit einer merkwürdig veränderten Stimme wieder. »Ich komme. Wo bist du denn? Und warum hast du sie gefunden … Ach, egal.«
    Â»Ich bin bei ihr im Haus.«
    Â»Ich bin in einer halben Stunde da.« Mit diesen Worten legte Hakopa auch schon auf.
    Brandon setzte sich auf den freien Sessel im Wohnzimmer und betrachtete das friedlich-freundliche Gesicht von Ruiha. Wenn es wahr war, dass ein Leben das Gesicht eines Menschen prägt, dann war diese Frau hier ein besonders heiterer und glücklicher Mensch gewesen. Sie sah nicht aus wie eine Frau, die Lügen und Unwahrheiten verbreitete. Es war allerdings auch sehr schwer, sich vorzustellen, dass sie einen Sohn in der Obhut eines brutalen Menschen zurückgelassen hatte – nur um ihr eigenes Glück zu finden. Noch einen Moment lang erschien Brandon das Wohnzimmer wie ein Hort des Friedens. Dann hörte er die Sirene des Krankenwagens, der schnell näher kam. Noch bevor sie vor dem Haus waren, stand er auf und ging zur Haustür, um die Sanitäter ins Haus zu lassen. Sie nickten ihm nur zu und stürmten an ihm vorbei, als er rief: »Ihr findet sie hinten im Wohnzimmer. Auf dem Sessel.«
    Aber auch das Tempo der Sanitäter ließ nach, als sie die friedlich lächelnde Frau entdeckten. Einer von ihnen legte seine Hand an ihren Hals, und er nickte Brandon zu. »Sie haben angerufen? Sie hatten leider recht. Sie muss schon vor Stunden gestorben sein. Wir müssen nur noch auf den Arzt warten, damit er offiziell den Tod feststellen kann. Mein herzliches Beileid.«
    Die Beileidswünsche kamen ihm eine Spur zu routiniert über die Lippen. Brandon wehrte trotzdem ab. »Ich kannte sie gar nicht. Ich wollte sie heute nur besuchen – und als sich niemand auf mein Klopfen hin gemeldet hat, habe ich mir Sorgen gemacht …«
    Der Sanitäter nickte. »Bei so alten Leuten kann es immer sein, dass sie hilflos irgendwo in ihrem Haus liegen, da haben Sie recht. Bei dieser Lady sieht das aber sehr friedlich aus.«
    In diesem Augenblick hielten zwei weitere Autos vor dem Haus. Der Notarzt und der alte Jeep von Hakopa. Er musste gegen jede Geschwindigkeitsbegrenzung zwischen seinem Büro und Seddonville verstoßen haben.
    Er nickte Brandon nur kurz zu und wartete schweigend, bis der Notarzt Ruiha untersucht, ihren Tod offiziell festgestellt und den Totenschein ausgeschrieben hatte. »Sie sind der Enkel? Kümmern Sie sich um die Tote?«
    Hakopa nickte. »Ich und meine Familie, machen sie sich keine Sorgen.«
    Schweigend sahen die Freunde zu, wie Sanitäter und Notarzt ihre Taschen wieder packten und das Haus verließen. Erst als die Tür ins Schloss gefallen war, drehte sich Hakopa zu Brandon um. »Was hast du heute denn bei ihr gewollt? Ich dachte, du findest es lächerlich, was meine Großmutter Sina zu erzählen hatte.«
    Verlegen hob Brandon die Schultern. »Ich war in der Gegend …« Er brach ab. Was sollte es bringen, seinen besten Freund anzulügen? »Nein. Die Wahrheit ist Folgende: Ruihas ganze Geschichte, die sie Sina erzählt hat, geht auch uns beide etwas an. Ruiha hat Sina erzählt, was vor sechzig Jahren passiert ist.« Er deutete auf das Haus, in dem sie standen. »Warum das Haus in den Besitz deiner Familie gekommen ist. Wer mein Großvater wirklich war. Und vor allem …« Er sah Hakopa gerade in die Augen, um seine Reaktion zu sehen, » …hat sie erzählt, dass mein Vater ihr Sohn ist. Wenn sie recht hat, dann sind wir Cousins.«
    Hakopas Augen wurden groß. »Was?« Er ließ sich langsam auf einen Küchenstuhl sinken. »Aber sie wäre doch nie ihrem Mann untreu gewesen. Soweit ich weiß, gab es im Leben meiner Großmutter nur Anaru!«
    Â»Das stimmt wohl auch«, meinte Brandon. »Sie hat nicht freiwillig mit meinem Großvater geschlafen.« Seine Stimme wurde leiser, fast unhörbar. »Er hat sie vergewaltigt. Und das hat sie Sina erzählt – ich konnte es nicht glauben und wollte von Ruiha selber hören, warum sie solche Geschichten verbreitet. Jetzt weiß ich gar nichts mehr. Was ist die

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