Der Tanz des Maori (epub)
In dem kleinen Antiques-Laden? Als wir bei Mary-Ann untergekrochen sind?«
Sina erinnerte sich nur verschwommen an die Maori, die ihr das alte Fotoalbum aufgedrängt hatte. Was hatte sie noch einmal gesagt? Sie versuchte sich zu erinnern.
»Diese alte Schreckschraube. Warte ⦠Sie hat etwas von ihrer Schwester gebrabbelt. Dass ich genauso aussehe wie sie. Was soll das mit dem alten Cavanagh zu tun haben?«
Katharina wirkte ganz aufgeregt. »Aber das ist doch total klar: Er ist der Meinung, dass du jemand bist, den er kennt. Offensichtlich aus Deutschland. Und diese Maori ist genauso der Meinung, dass sie dich kennt. Was wäre denn â¦Â«, Katharina machte eine Pause, bevor sie weiterredete. »â¦wenn du jemandem ähnlich siehst, den beide kennen? Ein absurder Zufall oder so etwas. Es kann doch nicht sein, dass innerhalb von zwei Monaten zwei völlig verschiedene Menschen dich erkennen â und dass das nichts bedeutet! Hast du noch das Album?«
Sina nickte und verschwand in der Hütte. »Sicher. Aber ich kann dir immer noch nicht folgen. Dann hätte der Alte doch etwas gesagt, oder? Und ich glaube nicht, dass er eine Maori in mir sieht. Dafür bin ich viel zu blond.« Sie fand das alte Album sofort. Es lag tief in ihrem Rucksack vergraben, genau da, wo sie es vor zwei Monaten hingesteckt und sofort vergessen hatte. Sie musterte die hübsche Verzierung des Leders. Nach dem Hangi mit Hakopa erkannte sie jetzt die geometrischen Muster der Maoris.
Mit dem Album in der Hand trat sie wieder heraus. Sie reichte es ihrer Freundin.
»Schau doch selber nach, ob du etwas findest. Ich habe es bis jetzt nur kurz durchgeblättert, aber da ist mir nichts weiter aufgefallen. Das sind einfach ein Haufen ernster Menschen, die Anfang des Jahrhunderts in einer ziemlich rauen Gegend der Welt nach ihrem Glück suchten. Das war halt keine Zeit zum Lachen.«
Katharina schien Sina überhaupt nicht zuzuhören. Sie blätterte in dem Album weiter und überflog auf jeder Seite die Bilder. »Vielleicht entdecke ich ja etwas. Ich bin schlieÃlich nicht so stark beteiligt wie du â¦Â« Ihre Stimme brach ab, ihr Finger blieb auf einem Bild liegen. »Das bist ja wirklich du!«, flüsterte sie.
Sina warf einen Blick auf das alte Foto, auf das Katharina deutete. Eine ernste, junge Frau. Eine Hand auf dem Stuhl, die andere auf dem Bauch.
Sie zuckte mit den Achseln. »Ja, das ist mir damals schon aufgefallen. Aber die Ãhnlichkeit ist doch ziemlich weit hergeholt â¦Â«
»Bist du blind?« Katharina schrie vor Aufregung. »Die Frau sieht aus wie dein verschollener Zwilling. Okay â ein Zwilling mit einem ziemlich altmodischen Klamottengeschmack und einer wirklich schrecklichen Frisur. Aber diese Augen, dieser Mund â Sina, bist du blind?«
Sina zwang sich, noch einmal einen genaueren Blick auf das Bild zu werfen. »Sicher, eine gewisse Ãhnlichkeit ist da schon vorhanden«, gab sie widerstrebend zu. »Aber glaubst du wirklich, dass das etwas zu bedeuten hat?«
Ohne Zögern nickte Katharina. »Ich glaube, diese Frau ist der Schlüssel. Du musst herausfinden, wer sie ist!«
»Ava.« Sina hob hilflos die Hände. »Mit diesem Namen kann sie von überall her kommen. Auch aus Deutschland.«
Sie blätterte in dem Album weiter. Ernste Männer vor einem Stapel Holz. Ein groÃes Steinhaus mit dem Meer im Hintergrund. Eine ebenso ernste andere Frau mit einem Baby im Arm. Noch mehr ernste Männer. Nirgendwo waren die Bildunterschriften ausführlicher. Nur hin und wieder ein Name, nie eine Jahreszahl. Heimlich schwor Sina sich in diesem Moment, ihre eigenen Bilder ein wenig sorgfältiger zu beschriften. Sonst würde womöglich in hundert Jahren jemand verwirrt vor ihren Hinterlassenschaften sitzen. »Ich kann nicht erkennen, wann das gemacht wurde. Oder wo«, erklärte sie schlieÃlich.
»Aber vielleicht weià das ja diese alte Frau in dem Laden?«, schlug Katharina vor.
Mit einem Schlag erinnerte Sina sich wieder an die Frau. Sie war ihr unheimlich gewesen, womöglich war diese Maori mit den dunklen Augen ja sogar verwirrt. Aber was, wenn sie die einzige Chance war, die sie hatte? Langsam nickte sie.
»Erinnerst du dich noch daran, wo das eigentlich war?«, fragte sie.
»Hm, das war doch direkt, nachdem uns Mary-Ann aus dem Fluss gerettet hat. Der kleine Ort an der Küste â
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