Der Tanz des Maori (epub)
dieses Unglück die Schuld von John Denson war? Er, der sich kaum seine blank geputzten Schuhe in dem Schlamm der Mine dreckig gemacht hatte, wagte es zu behaupten, dass Master Denson der Urheber dieser Katastrophe war? Das konnte doch keiner glauben! Ich warf einen vorsichtigen Blick in die Runde und musste in diesem Augenblick feststellen, dass durchaus einige feindselige Blicke auf Ava und mir lagen. Ich wollte schon herumlaufen und dieses verhängnisvolle Missverständnis aufklären, als ich Avas Hand auf meiner Schulter spürte. »Lass es, Ruiha. Wir kümmern uns jetzt erst einmal um Verletzte und Verschüttete. Warten auf John und Anaru und beten, dass der Berg diese und die anderen Männer noch einmal freigibt. Den Streit mit Angus können wir an einem anderen Tag austragen!«
Ich sah wieder zu dem halb verschütteten Eingang hin und nickte. »Wenn Sie meinen ⦠aber ich werde jetzt in diesen Stollen gehen und selber nachsehen, warum sie nicht wieder herauskommen!«
Noch bevor Ava mir dieses Vorhaben ausreden konnte, zog ich ein Kopftuch über meine Zöpfe und wickelte mich fester in mein Regencape. Keiner achtete auf mich, als ich an den Männern vorbei einfach in den Stollen hineinspazierte. Schon nach wenigen Metern war es stockfinster. Ich blinzelte einige Male, konnte aber nach ein paar Schritten plötzlich ein flackerndes Licht hinter einem schmalen Spalt, den die Erdmassen gelassen hatten, erkennen. Waren die Männer hier versteckt? Vorsichtig tastete ich mich weiter.
Schon während dieser wenigen Meter fielen immer wieder groÃe und kleine Erdbrocken vor meine FüÃe. Immer wieder stolperte ich über matschige, schmierige Erdhaufen, die auf dem Boden lagen. Ich fröstelte. Als ich mich mühsam durch den schmalen Spalt schob, stieg für einen kurzen Moment Panik auf. Was, wenn ich jetzt hier verschüttet wurde? Aber daran erlaubte ich mir nicht zu denken. Ich musste einfach zu den wenigen Helfern vordringen â denn inzwischen war ich mir sicher, dass Anaru zu den verschütteten Männern zählte.
Die Männer sahen nur kurz auf, als ich zu ihnen stieÃ. Einer drückte mir wortlos seine Schaufel in die Hand und murmelte: »Ich kann nicht mehr. Ich brauche eine Pause!« Damit verschwand er durch den Spalt, durch den ich gerade eben erst gekommen war. »Der kommt nicht mehr wieder«, knurrte ein alter Mann, der verbissen einen Berg Erde und Schutt am Eingang eines Stollens bearbeitete. »Aber wir dürfen die Jungs einfach nicht alleine lassen!«
Ich nickte, stellte mich neben ihn und fing ebenfalls an zu schaufeln. Wir hatten nur wenig Licht, jemand hatte zwei Fackeln in den Boden gesteckt, die immer wieder flackerten und laut zischten, wenn sie von einem Tropfen getroffen wurden. Schon nach wenigen Minuten brannten meine Hände, die so harte Arbeit nicht gewohnt waren. Ich biss die Zähne zusammen und machte weiter. Der Haufen wurde nur quälend langsam kleiner. Schon bald bildeten sich an meinen Händen riesige Blasen, die wenig später platzten. Mit blutigen Händen grub ich weiter. Ich wagte es einfach nicht, aufzuhören: Es waren nur so wenige Helfer â und die Aufgabe, den Eingang zu diesem Stollen freizulegen, erschien mir fast nicht zu bewältigen. Immerhin sorgten die Schmerzen und die Sorge um Anaru dafür, dass ich nur wenig Angst davor hatte, selber verschüttet zu werden. Und die Gefahr war nicht zu übersehen, selbst für ein so ahnungsloses Ding wie mich: Es tropfte, der Dreck rieselte, wir standen in knöcheltiefen, schlammigen Pfützen.
Die Stunden vergingen. Nur wenige Meter von mir entfernt sah ich John Denson, der mit grimmigem Gesicht die Erde bearbeitete. Er gönnte sich keine einzige Pause. Sein Gesicht sah über Nacht gealtert aus, die feinen Lachfältchen, die sonst um seine Augen lagen, waren nicht mehr zu erkennen.
Es war schon Abend, als bei einem Hieb mit der Hacke plötzlich die Erde nachgab: Ein Durchbruch zu dem dahinter liegendem Stollen war endlich, endlich gelungen. Wir hielten alle den Atem an, als wir in den Stollen hineinlauschten. Lebte in dieser feuchten Dunkelheit überhaupt noch jemand? Es vergingen einige Sekunden, in denen wir nur tropfendes Wasser hörten. Und dann eine Stimme: »Wir sind hier! Grabt weiter! Wer ist denn da?«
»Hier ist John Denson!«, rief Master Denson und bearbeitete die Erde mit neuer Kraft. Wir
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