Der Tanz des Maori (epub)
gröÃte Glück in meinem Leben war. Ohne sie und Junior hätte mir alles nichts bedeutet!« Er schob mich in Richtung des Spalts. »Und jetzt verschwinde endlich!«
Widerstrebend kletterte ich durch die Ãffnung. Auf der anderen Seite waren nur noch zwei Männer übrig, die darauf warteten, die letzten Verwundeten ins Freie zu bringen. Ich deutete auf das Loch hinter mir. »Es sind noch drei Männer da hinten. Und Master Denson. Er will sie noch ins Freie bringen.«
Einer der beiden nickte nur. »Wir warten auf sie. Geh ins Freie â du hast genug getan für einen Tag.« Ein Lächeln zeigte sich in seinem müden Gesicht. »Hast mehr Mumm in den Knochen als so mancher Mann hier an der Küste, Kleine.«
So schnell es ging, lief ich ins Freie. Mit einem Mal erschien mir der Stollen wieder als das, was er war: Eng, bedrückend und unglaublich gefährlich.
DrauÃen war es inzwischen tiefe Nacht. Ich sah mich suchend um und entdeckte Anaru bei Ava. Er saà mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt, hatte einen dampfenden Becher in der Hand und sah mir entgegen. Ich rannte die letzten Meter zu ihm hin und lieà mich neben ihm in das nasse Gras fallen. »Du hast es geschafft!«, hörte ich mich sagen.
»Ja. Der Krankenwagen soll gleich kommen, dann kümmert sich auch jemand um mein Bein. Aber ohne dich â¦Â« Seine Stimme versagte. Ich mochte mir nicht einmal vorstellen, was er in den letzten Stunden in dem Stollen in kompletter Finsternis durchlitten hatte.
Mein Blick fiel auf Ava. Sie starrte immer noch angespannt zum Grubeneingang. Da tauchte in diesem Moment einer der Retter mit einem weiteren Verwundeten auf, den er eher trug als stützte. Helfer stürzten sich sofort auf ihn, die beiden Männer wurden mit Decken und heiÃen Getränken in Empfang genommen.
Ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern geschehen, wie in diesem Moment die Erde leicht erzitterte. Es fühlte sich an wie eine Katze, die nur kurz mit dem Fell zuckt, um eine Fliege zu vertreiben. Dann war es wieder ruhig. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann erklang von dem Mineneingang her ein leises Grollen, das anwuchs zu einem lauten Gepolter. Für einen Augenblick übertönte dieses Geräusch alles, was auf dem schlammigen Platz vor der Mine geredet oder geflucht wurde. Und dann wurde es still. Unfasslich still. Es war für ein paar Sekunden so, als ob der Natur die Geräusche verloren gegangen wären.
Ava wurde totenblass. Erst jetzt sah ich, dass sie Junior schon die ganze Zeit an sich gepresst hielt. So, als sei er ihr einziger Halt, den sie auf dieser Welt noch hatte.
Dann brach ein unglaublicher Lärm los. Helfer rannten schreiend zum Eingang der Mine. Oder dem Ort, an dem bis vor wenigen Augenblicken der Eingang gewesen war. Jetzt war diese Stelle eingestürzt, eine Schlammlawine hatte alles verschlungen. Der Anblick sorgte für eine alles umfassende, wahnsinnige Hoffnungslosigkeit. Jetzt konnte es keinen Ãberlebenden mehr geben.
Und unter den Toten war John Denson. Zusammen mit einem weiteren Helfer â dem Mann, mit dem ich zuletzt gesprochen hatte â und vier Arbeitern. Sechs Tote.
Ava zog Junior zu sich nach oben und hielt ihr Gesicht ganz nahe an seine seidenweiche Haut. In diesem Moment konnte ihr wohl nur der Geruch und die Nähe ihres Babys Trost geben. Ich legte ihr einen Arm um die Schulter, aber sie schien nichts zu spüren.
»Ich soll Ihnen sagen, dass Sie das gröÃte Glück für ihn waren«, flüsterte ich. »Er hat gesagt, ohne Sie und Junior wäre alles in seinem Leben ohne Wert gewesen.«
»Und jetzt ist in meinem Leben alles ohne Wert â ohne John.« Ava sah Junior lange an. »Jetzt lebe ich nur noch für ihn. Damit John wenigstens etwas hinterlassen hat, das Bestand hat.« Ihre Stimme brach, und sie fing an zu schluchzen. Haltlos und ohne einen Trost. Junior wachte auf und sah seine Mutter mit groÃen Augen an. Dann fing er an zu wimmern â und das klang noch hoffnungsloser als die Trauer seiner Mutter. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber ich blieb bei ihr sitzen, meinen Arm um ihre Schulter gelegt.
Als Anaru vom Krankenwagen geholt wurde, winkte ich ihm nur kurz zu und blieb weiter bei Ava. Wir saÃen in der Dunkelheit unter den tropfenden Zweigen eines Baumes vor den letzten noch glimmenden Holzscheiten des Feuers, auf dem wir den
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