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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Tee für die Geretteten und die Helfer bereitet hatten.
    Ava hatte irgendwann alle Tränen geweint und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Dann quäkte Junior leise. Er hatte Hunger, forderte sein Recht ein – das Recht des Lebens. Ava erwachte wie aus einer Trance. Sie sah ihn lange an und drehte sich dann zu mir.
    Â»Wir gehen nach Hause. Er braucht warme Sachen und eine trockene Windel. Hier kann ich niemandem mehr helfen. Mein John braucht mich nicht mehr hier oben.«
    Damit erhob sie sich und ging zu dem Ford, der verlassen unter einem Baum stand. Sie warf keinen Blick mehr zurück. Und soviel ich weiß, ist sie auch nie mehr an diesen Ort zurückgekehrt.

16.
    Tränen strömten über Ruihas faltiges Gesicht. Sie brach in ihrer Erzählung ab. Ihre Augen sahen abwesend in den Garten. Sina war sich sicher, dass Ruiha nichts von dem schönen Tag oder den Gästen wahrnahm. Sie war wieder in dieser verregneten Nacht in Matakite. Vorsichtig berührte sie die knotige Hand der Alten. »Ruiha? Geht es dir gut?«, fragte sie.
    Ruiha erwachte wie aus einem Schlaf. Ihre Augen flatterten kurz und schienen die Umgebung wieder wahrzunehmen.
    Sie sah Sina an. Dann schlossen sich ihre Lider, und sie wischte mit ein paar entschlossenen Bewegungen die Tränen aus ihrem Gesicht. Sie zog ihre Hand aus Sinas Hand und räusperte sich ein wenig. »Bitte, lasst mich jetzt alleine. Die Erinnerungen an diese Nacht sind einfach zu viel für mich. Ich kann nicht mehr, ich brauche Ruhe.«
    Â»Sicher.« Sina erhob sich. »Wir können gerne morgen wiederkommen, und du erzählst uns dann, was aus Ava, Miriam und dir nach diesem Unglück wurde. Ist das in Ordnung?«
    Ruiha gab keine Antwort. Stattdessen räumte sie mit hastigen Bewegungen die Teller zusammen, stellte die Tassen auf ein Tablett und verschwand grußlos über die Veranda in die Küche.
    Für einen Moment trat eine ungewöhnliche Stille ein, und Brandon und Sina sahen sich verwundert an. Sina deutete in die Richtung, in die Ruiha verschwunden war. »Was meinst du? Muss sie nur kurz ihre Fassung wieder zurückgewinnen, oder sehen wir sie heute nicht mehr?«
    Brandon zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Ich denke, wir lassen hier auf dem Tisch einen Zettel liegen, auf dem wir ihr schreiben, dass sie unser volles Verständnis hat. Den Rest des Tages können wir an den Strand fahren oder uns diese alte Mine ansehen.«
    Er erhob sich. »Worauf hast du Lust?«
    Sina hatte schon einen Zettel aus ihrem Notizbuch gerissen und schrieb die Nachricht. »Ich würde gerne nach Matakite fahren. Das letzte Mal sind Katharina und ich nur bis zu diesem Schild gekommen. Ich bin neugierig, wie es da heute aussieht.«
    Minuten später war der alte Hillman auf der gewundenen Straße in die Berge unterwegs. Wie beim letzten Mal tauchte schon nach wenigen Kilometern das Holzschild auf. Brandon parkte am Straßenrand. Hand in Hand liefen sie einen schmalen Pfad entlang, überquerten die halb verfallene Brücke und erreichten wenig später eine Lichtung. Von drei Seiten wurde diese Lichtung vom dichten Wald umschlossen, die vierte Seite war die steil ansteigende Flanke eines Berges.
    Am Berg verrottete eine Holzkonstruktion, Blumen bewegten sich sanft in der leichten Brise des Nachmittags, ein paar Vögel sangen in dem Wald, der sie umgab. Ein tiefer Frieden herrschte an diesem Ort, nichts erinnerte an Unglück oder Tod.
    Sina strich vorsichtig über einen der Holzpfeiler, der unter der leichten Berührung schon zerbröckelte. »Noch einmal ein oder zwei Jahrzehnte, und man kann gar nichts mehr sehen«, murmelte sie. »Schwer zu glauben, was hier passiert ist, oder?«
    Brandon musterte den überwachsenen Berghang. »Merkwürdig – es sieht so aus, als ob die Toten nie geborgen wurden. Und wenn es so ist, dann sollte doch wenigstens ein Gedenkstein oder eine kleine Grabplatte hier sein. Meinst du nicht?«
    Sina nickte. »Vielleicht war es zu aufwändig, zu teuer oder zu gefährlich …« Sie konnte nicht anders: Vor ihrem inneren Auge spielten sich immer wieder die Szenen ab, die Ruiha ihnen so lebhaft beschrieben hatte. »Ruiha war sagenhaft tapfer. Stell dir das vor: Die einzige Frau, die mit den Männern gegraben hat. Was wohl aus ihrem Anaru geworden ist? Ob sie ihn geheiratet hat?«
    Brandon sah sie nachdenklich an. »Dir geht diese alte

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