Der Tanz des Maori (epub)
musste warten, bis der Staub, den ich selber aufgewirbelt habe, sich wieder gesetzt hat â¦Â« Sie schwieg einen kurzen Moment, dann deutete sie einladend auf den Tisch auf der Veranda. »Wie sieht es denn aus? Hast du Zeit, mit mir zusammen ein bisschen weiter in Erinnerungen zu schwelgen? Ich würde mich freuen, wenn du mir noch etwas Gesellschaft leisten würdest.«
Sina nickte. »Ich bleibe gerne noch hier. Ich rufe nur kurz bei Mary-Ann an. Sie soll sich keine Sorgen machen, wenn ich heute Abend erst später nach Hause komme.«
Während Sina telefonierte, machte Ruiha einen starken schwarzen Tee, den sie in einer dickwandigen bunten Teekanne auf den Tisch stellte. Dann schüttelte sie noch ein paar Kekse aus einer Schachtel auf einen flachen Teller â und setzte sich erwartungsvoll hin. Kaum hatte Sina das Gespräch mit Mary-Ann beendet, holte Ruiha tief Luft.
»Ich denke, ich sollte einfach genau da weitererzählen, wo ich das letzte Mal aufgehört habe â¦Â«
18.
Ava trauerte. Sie schaffte es kaum, sich um den kleinen Junior zu kümmern. Sie verkroch sich in sich selbst, redete mit niemandem mehr, nicht einmal mit mir. Das groÃe Haus, in dem sie gemeinsam mit John gelebt hatte, war auf einmal sehr leise und sehr leer. An einem Morgen sagte sie, dass sie jetzt endlich Johns Büro aufräumen wollte. Sie verschwand fast den ganzen Tag in seinem Zimmer. Als ich sie abends zum Essen holen wollte, klopfte ich und öffnete die Tür. Ava saà nur auf seinem Sessel, ein Bild von ihm in den Händen, und starrte es schweigend an. Ich glaube, sie hat schon den ganzen Tag so in seinem Zimmer gesessen.
Wenn ich auf dem Markt war, wollte keiner mit mir reden. Sie wussten, dass ich bei den Densons arbeitete. Am Anfang war ich der Meinung, sie wollten mich in meiner Trauer nicht stören. Wie blauäugig ich doch damals gewesen bin. Es vergingen ein paar Tage, bis mir der Gemüsehändler einfach den Rücken zuwandte, als ich an der Reihe war. Ich räusperte mich, hüstelte â und schlieÃlich sprach ich ihn direkt an: »Wollen Sie mir denn nichts verkaufen?«
Da drehte er sich um und sah mich lange an, bevor er antwortete: »Ich will kein Geld annehmen, für das andere mit ihrem Leben bezahlen mussten!«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich etwas verdattert nach.
»Stell dich nicht dümmer, als du bist!«, fauchte der Mann mich an. »Angus MacLagan hat über die Machenschaften von John Denson in Matakite ausgepackt. Es stand sogar in der Zeitung â und jetzt wissen wir alle, dass sein Gerede von der Schule und der Rettungsmannschaft nur leeres Geschwätz war. Alles, worum es John Denson jemals gegangen ist, war nur sein eigenes Geld!«
Ich schüttelte den Kopf. »Das haben Sie falsch verstanden! Es war doch in Wirklichkeit Angus MacLagan, der das Leben der Arbeiter aufs Spiel gesetzt hat!«
»Unterstehe dich, den Namen dieses anständigen Mannes hier an meinem Stand in den Schmutz zu ziehen!«, herrschte mich der Händler an. »Wir kennen jetzt die Wahrheit! Geh weiter!«
Ich war so überrascht, dass ich einfach nach Hause ging. Vorsichtig versuchte ich, Ava von dem Gerede über John zu erzählen. Sie winkte nur ab. »Irgendwann werden alle erfahren, was für ein Mann Angus MacLagan wirklich ist. Er wird es nicht schaffen, Johns Andenken auf Dauer in den Schmutz zu ziehen.«
Ich schwieg. Das war feige von mir, und ich könnte mich verfluchen, dass ich Ava nicht sofort erklärt habe, wie wütend die Menschen auf John sind. Wer weiÃ: Hätte sie sich sofort gegen die böse Nachrede von Angus gewehrt, vielleicht wäre es nie so weit gekommen ⦠Aber ich wollte sie damals in ihrer Trauer wirklich in Schutz nehmen. Ich dachte mir, dass nicht jedes böse Wort zu ihr durchdringen muss! Ich hätte wissen müssen, dass die Menschen mit jedem Tag mehr Wut auf Ava hatten. Sie war die Schuldige, an der sie sich reiben konnten â¦Â«
Es kam der Tag der Beerdigungen. Den Rettungsteams war es ja geglückt, wenigstens noch drei der sechs Toten aus dem Bergwerk zu holen. John Denson war nicht darunter. Die Beerdigung sollte an einem verregneten Nachmittag eine Woche nach dem Grubenunglück stattfinden. Ava zog sich ein schwarzes Kleid an, zog einen schwarzen Schleier über ihren breitkrempigen Hut. Dann machte sie sich auf zum Friedhof. Ich wusste von ihrer Absicht
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