Der tanzende Tod
»Sieh sie dir an – sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Du trinkst zu viel, und schon könntest du im Bette deines Nachbarn landen statt in deinem eigenen.«
»Ich vermute, man gewöhnt sich daran – oh, höre auf, so laut zu lachen, du großer Dummkopf, sonst wirst du die Wache auf uns aufmerksam machen. Es ging darum, die eigene Tür zu finden, dies weißt du genau.«
Trotz aller Ähnlichkeit war der Gesamteffekt der Häuser äußerst prächtig. Sie waren aus weißem Stein gefertigt und besaßen große Fenster. Ihre hölzernen Verzierungen sahen trotz des in London herrschenden Rußes noch immer so aus, als seien sie frisch gestrichen. Die Menschen, die in diesen Palästen lebten, unternahmen jede Anstrengung, sie so perfekt wie möglich aussehen zu lassen. Wahrscheinlich fanden unter ihnen sogar erbitterte Konkurrenzkämpfe über die genauen Einzelheiten, wie alles sauber zu halten sei, statt.
»Gehört dieses Haus Mr. Tyne oder seinen Eltern?«, fragte ich.
»Ihm selbst. Arthur muss es wohl viel besser als Ridley gelingen, seine Zechgelage mit seinen Mitteln zu bestreiten – entweder dies, oder er hat verdammt viel Glück am Spieltisch.«
»Wo sind denn seine Eltern?«
»Sie leben auf dem Lande und reisen üblicherweise beim ersten Anzeichen des Winters sofort nach Italien ab. Keine sehr gesellige Schar, abgesehen von Arthur.« Wie zuvor zeigte Oliver auf die richtige Tür, und wir hielten die Kutsche ein Stück weiter an, sodass ich zu Fuß zurückgehen konnte. Und ebenfalls wie zuvor war das Objekt meiner Suche nicht daheim, laut dem Bediensteten, der auf mein Klopfen hin die Tür öffnete. Er informierte mich, dass sein Herr über Nacht bei einem seiner Freunde bliebe, aber er konnte mir nicht sagen, wer es sein könne.
Sein Herr besäße einen großen Freundeskreis. Ich dankte dem Burschen und gab ihm ein wenig Geld, dann marschierte ich zur Kutsche zurück. Dieses Mal waren auf der Straße keine Rüpel zu sehen.
»So steht es also«, meinte Oliver, als es nun an mir war, ihm die Neuigkeiten mitzuteilen. »Es bleibt uns also nichts zu tun, als die Rückfahrt nach Hause zu genießen – es sei denn, du hättest Lust, einen Abstecher zur Paternoster Row zu machen. Sie liegt nicht allzu weit entfernt.«
»Wenn du meinst, dass die Bücherstände noch geöffnet haben?«
»Einige von ihnen gewiss. Erinnerst du dich nicht daran, dass gewisse Teile dieser Stadt niemals schließen?«
»Es ist eine Weile her ...« Bei dem anderen Haltepunkt, den ich im Sinn hatte, wusste ich ganz sicher, dass er für Publikumsverkehr geöffnet hatte.
»Dann musst du dich erneut mit den Dingen vertraut machen.« Genau dies war mein Gedanke.
Die Navigation durch die manchmal engen und nahezu immer viel befahrenen Straßen war eine recht anspruchsvolle Kunst. Glücklicherweise war unser Kutscher ein Meister darin. Die beiden Lakaien waren ebenfalls gewandt; sie brüllten den Leuten zu, den Weg zu räumen, wobei ihre Rufe häufiger wurden, je näher wir unserem Zielort kamen.
Während sie sich vorwärts kämpften, diskutierten Oliver und ich über unsere Möglichkeiten, einige anständige Theaterstücke aufzustöbern, um sie nach Long Island zu schicken, damit unsere Kusine Anne sie lesen konnte. Sie hatte eine Vorliebe für Shakespeare entwickelt, aber besaß auch ein Interesse an anderen Autoren. Oliver begriff, dass sie, obgleich sie solchen Werken ausgesetzt war, dennoch nicht über viel Verständnis für die Welt verfügte, was bedeutete, dass Ausgaben der einfacher zu verstehenden modernen Werke für ihr feinfühliges Wesen höchst ungeeignet wären.
»Wie schade, denn einige von ihnen sind recht amüsant«, meinte er.
»Du meinst, recht obszön.«
»Das ist es, was an ihnen so amüsant ist. Hier, dieser Ort ist gewiss der richtige; ich kenne den Eigentümer.« Er befahl dem Kutscher anzuhalten und führte mich zu einem Gebäude, welches zur Hälfte ein Laden und zur anderen Hälfte ein offener Stand war, nun erleuchtet von mehreren Laternen. Jede horizontale Oberfläche war mit Büchern und Manuskripten aller Arten und Größen bedeckt. Es war genau die Art von Ort, die meinen Jagdtrieb ansprach, auch wenn dies sich auf Wissen und nicht auf Trophäen oder Nahrung bezog. Die Zeit verging im Nu, und ebenso verschwand eine Menge Münzen aus meiner Geldbörse. Innerhalb einer sehr kurzen Stunde hatte ich nicht nur einen Stapel Bücher erstanden, welche Stücke enthielten, die geeignet waren, eine junge Dame zu
Weitere Kostenlose Bücher