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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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ist Kraut, Herr Oberst«, sagte er.
    Was ich vom einzigen Deutsch, das ich kannte, verstanden hatte, war dies: »Ich weiß nicht, warum ich so traurig bin. Ich kriege eine alte Legende nicht aus dem Kopf. Die Luft ist
kühl, und es wird dunkel, und der Rhein fließt still. Der Gipfel des Berges flimmert im Abendsonnenschein« oder so.
    Der Oberst fand, daß seine Rolle die Verpflichtung mit sich brachte, schnelle, eigensinnige Entscheidungen zu treffen. Er hatte schon einige prima Beschlüsse gefaßt, bevor die
Wehrmacht vernichtend geschlagen wurde, der, den er an jenem Tag faßte, war aber mein Lieblingsbeschluß: »Wenn das Kraut ist, warum schiebt der Mann dann Latrinendienst?«
wollte er wissen. Zwei Stunden später sagte mir der Kompanieschreiber, ich könne die Elmer abgeben, weil ich nunmehr Bataillonsdolmetscher sei.
    Bald danach kam der Befehl zum Vorrücken. Verantwortlicherseits war man zu bedrängt, um sich meine Unfähigkeitserklärung anzuhören. »Für uns sprechen Sie gut
genug Kraut«, sagte der Erste Offizier, »und da, wohin wir gehen, wird sich nicht viel Gelegenheit ergeben, mit Krauts zu reden.« Er tätschelte liebevoll meine Flinte.
»Die hier wird Ihnen die meiste Übersetzungsarbeit abnehmen«, sagte er. Der Erste, der alles, was er wußte, vom Oberst gelernt hatte, meinte, die amerikanische Armee habe
soeben die Belgier in die Pfanne gehauen, und nun müßte ich bei dem belgischen Bürgermeister Quartier nehmen, um sicherzustellen, daß er nicht versuchte, uns eins
auszuwischen. »Außerdem«, schloß der Erste, »gibt es sonst sowieso niemanden, der überhaupt Kraut kann.«
    Ich fuhr auf einem Lastwagen mit drei verstimmten Pennsylvania-Deutschen, die sich bereits vor Monaten um den Job als Dolmetscher beworben hatten, zum Bauernhof des Bürgermeisters. Als ich
klargemacht hatte, daß ich keinerlei Konkurrenz für sie darstellte und ohnehin hoffte, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden liquidiert zu werden, tauten sie so weit auf,
daß sie mir die interessante Information zuteil werden ließen, das, was ich sei, sei auf deutsch ein Dolmetscher . Außerdem dekodierten sie auf meinen Wunsch die Lorelei . Dadurch hatte ich etwa vierzig Wörter zur freien Verfügung (dem Wortschatz eines Zweijährigen entsprechend), die ich aber kombinieren konnte, wie ich
wollte, ohne auch nur in der Lage zu sein, um ein Glas kaltes Wasser zu bitten.
    Jede Umdrehung der Räder des Lastwagens brachte eine neue Frage: »Was heißt ›Army‹ auf deutsch? ... Wie frage ich, wo das Klo ist? ... Was heißt
›mir ist schlecht‹? ... Und ›mir ist nicht schlecht‹? ... ›Essen‹? ... ›Bruder‹? ... ›Schuh‹?« Meine
phlegmatischen Dozenten ermüdeten, und einer gab mir eine Broschüre, Deutsch leichtgemacht, für den Mann im Schützengraben.
    »Einige der vorderen Seiten fehlen«, erklärte der Spender, als ich vor dem Bauernhof des Bürgermeisters vom Lastwagen sprang. »Hab’ mir Zigaretten draus
gedreht«, sagte er.
    Es war früher Morgen, als ich an die Tür des Bürgermeisters klopfte. Ich stand auf der Schwelle wie ein Statist in den Soffitten, und das eine Wort, das ich abliefern sollte,
polterte in einem ansonsten leeren Kopf herum. Die Tür flog auf. » Dolmetscher «, sagte ich.
    Der Bürgermeister selbst, alt, dünn und nachtbehemdet, führte mich in das untere Schlafzimmer, in dem ich untergebracht werden sollte. Er stellte sein Willkommen sowohl
pantomimisch als auch in Wörtern dar, und fürs erste war ein Spritzer Danke schön absolut ausreichend gedolmetscht. Ich war bereit, weitere Konversationen mit Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin abzuwürgen. Das hätte ihn tapsend zurück ins Bett geschickt, überzeugt, einen gewandten, wenngleich weltschmerz zerfressenen Dolmetscher zu haben. Die List war unnötig. Er ließ mich allein, damit ich meine Ressourcen konsolidieren konnte.
    Die Hauptressource war die verstümmelte Broschüre. Ich prüfte jede ihrer kostbaren Seiten der Reihe nach, entzückt von der Einfachheit, mit der sich Englisch in Deutsch
überführen ließ. Dank diesem Büchlein brauchte ich nur mit dem Finger die linke Spalte hinunterzugleiten, bis ich die englische Redensart fand, die ich wollte, und dann die
Nonsens-Silben herunterzurattern, die gegenüber in der rechten Spalte abgedruckt waren. »Wie viele Granatwerfer haben Sie?« hieß zum Beispiel: Vee feel
grenada vairfair habben zee? Wenn ich wissen wollte,

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