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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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»where are your tank columns?«, hieß das in ebenso mustergültigem wie kinderleichtem Deutsch: Vo zint era pantzer shpitzen? Ich artikulierte folgende gerngehörte Redensarten: »Wo sind Ihre Haubitzen? Wie viele Maschinengewehre haben Sie? Ergeben Sie sich!
Nicht schießen! Wo haben Sie Ihr Motorrad versteckt? Hände hoch! Zu welcher Einheit gehören Sie?«
    Die Broschüre endete jäh, wodurch meine Laune von manisch zu depressiv absackte. Der Pennsylvania-Deutsche hatte das gesamte Etappen-Geplänkel aufgeraucht, die erste Hälfte
der Broschüre, so daß ich nur noch mit dem verbalen Schlagabtausch des Kampfes Mann gegen Mann arbeiten konnte.
    Während ich schlaflos im Bette lag, kam mir das eine Drama in den Sinn, in dem ich mitspielen konnte ...
    DOLMETSCHER ( zum BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN ): Ich weiß nicht, was soll es
bedeuten, daß ich so traurig bin. ( Umarmt sie. )
    BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN ( versucht, angeborene Schüchternheit zu überwinden ): Die Luft ist kühl, und es dunkelt,
und ruhig fließt der Rhein.
    DOLMETSCHER ( ergreift BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN , schleppt es mit körperlicher
Gewalt in sein Zimmer. Dann, sanft ): Ergeben Sie sich.
    BÜRGERMEISTER ( mit einer Luger fuchtelnd ): Ach! Hände hoch!
    DOLMETSCHER und BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN ( gleichzeitig ): Nicht schießen!
    ( Eine Landkarte, auf der die Schlachtordnung der 1. US-Armee eingezeichnet ist, fällt dem BÜRGERMEISTER aus
der Brusttasche. )
    DOLMETSCHER ( beiseite, auf englisch ): Was macht dieser angeblich den Alliierten nahestehende Bürgermeister mit einer Landkarte, auf
der die Schlachtordnung der 1. US-Armee eingezeichnet ist? Und warum soll ich für einen Belgier deutsch dolmetschen? ( Holt überraschend .45er Automatik unter
Kopfkissen hervor und richtet sie auf BÜRGERMEISTER .)
    BÜRGERMEISTER und BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN ( gleichzeitig ): Nicht schießen! ( BÜRGERMEISTER läßt Luger fallen, lächelt höhnisch. )
    DOLMETSCHER : Zu welcher Einheit gehören Sie? ( BÜRGERMEISTER schweigt finster . BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN tritt leise weinend zu ihm . DOLMETSCHER zu BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN , direkt ): Wo haben Sie Ihr Motorrad versteckt? ( Wendet sich wieder an den BÜRGERMEISTER ): Wo sind Ihre Haubitzen, na? Wo sind Ihre Panzerspitzen? Wie viele Granatwerfer haben Sie?
    BÜRGERMEISTER ( unter perfekter Verhörtechnik zusammenbrechend ): Ich ... Ich ergebe mich.
    BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN : Ich bin so traurig.
    ( Auftritt SONDERTRUPP aus Pennsylvania-Deutschen im Rahmen einer Routineüberprüfung. Hört gerade noch
rechtzeitig, wie BÜRGERMEISTER und BÜRGERMEISTERSTÖCHTERLEIN gestehen, mit Fallschirm hinter den amerikanischen Linien abgesprungene Nazi-Agenten zu sein. )
    Johann Christoph Friedrich von Schiller hätte das mit diesen Wörtern auch nicht besser hingekriegt, und das waren die einzigen Wörter, die mir zur Verfügung
standen. Ich hatte nicht die geringste Chance, mich irgendwie durchzuwursteln, und es machte nicht den geringsten Spaß, im Dezember für ein ganzes Bataillon Dolmetscher zu sein, ohne
auch nur »Fröhliche Weihnachten!« sagen zu können.
    Ich machte mein Bett, zog die Kordeln meines Matchbeutels zu und stahl mich durch die Verdunklungsvorhänge in die Nacht davon.
    Argwöhnische Wachposten sagten mir, wie ich zum Bataillonshauptquartier kam, wo ich die meisten unserer Offiziere entweder über Landkarten grübelnd oder beim Laden ihrer Waffen
vorfand. Es lag Feiertagsstimmung in der Luft, der Erste Offizier schliff ein sechsundvierzig Zentimeter langes Bowie-Messer und summte »Are You from Dixie?«
    »Na, da soll doch«, sagte er, als er mich in der Tür bemerkte, »da kommt ja unser alter Sprecken-Zee-Dutch persönlich. Raus mit der Sprache, Junge. Sollten Sie nicht
drüben beim Bürgermeister sein?«
    »Es hat keinen Sinn«, sagte ich. »Die sprechen alle Niederdeutsch, und ich spreche Hochdeutsch.«
    Der Erste war beeindruckt. »Zu gut für die, was?« Er fuhr mit dem Zeigefinger die Schneide seines mörderischen Messers entlang. »Ich glaube, wir werden ziemlich bald
auf jemanden treffen, der das hochklassige Kraut beherrscht«, sagte er. »Wir sind nämlich eingekreist.«
    »Wir werden ihnen genauso einheizen, wie wir ihnen in North Carolina und Tennessee eingeheizt haben«, sagte der Oberst, der zu Hause noch kein einziges Manöver verloren hatte.
»Sie bleiben hier, Söhnchen. Ich werde Sie als meinen persönlichen Dolmetscher einsetzen.«
    Zwanzig

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