Der tausendfältige Gedanke
ihren Werkzeugen trauen können. Nun blieb Aurang keine andere Wahl, als selbst einzuschreiten und sich derer zu bemächtigen, die seine Instrumente nur nachäffen konnten.
»Glaubt mir, Kinder – er wird überrascht sein, wenn wir zuschlagen. Seine Frau hat ein treuloses Herz.«
Sie würden die Grenzen dieses Propheten erkunden und nicht zulassen, dass er sich der Gnosis bemächtigte.
Das Wesen gurgelte und schlug die Zähne zusammen.
»Wir untersuchen ihre Gesichter mit Nadeln«, sagte Eleäzaras und zwang sich dabei zu dem spaßhaften Ton, über den er einst so selbstverständlich verfügt hatte.
»Und so habt Ihr es gefunden?«, fragte sie scharf und deutlich sarkastisch. Eleäzaras warf Iyokus einen verächtlichen Blick zu, auch wenn das bei ihm inzwischen Verschwendung war. Wie wenig dieses Gesindel von Jnan verstand!
»Muss ich das noch mal erklären?«
Die geschminkten Lippen lächelten. »Das hängt davon ab, ob er Eure Geschichte zu hören wünscht, oder?«
Eleäzaras schnaubte, griff erneut zu seinem Weinkelch und nahm einen tiefen Schluck. Sie war klug – zugegeben. Verdammt klug. Aber er brauchte wirklich nichts davon zu wissen.
Dass sie so rasch Wind von ihrer Entdeckung bekommen hatte, zeugte nicht nur von ihren Fähigkeiten, sondern auch von der Wirksamkeit der Organisation, die sie nach dem Aufstieg des Kriegerpropheten aufgebaut hatte. Er würde diese verdammte Hure und ihre Fähigkeiten – diese Hure, die zugleich Prophetengemahlin war – kein zweites Mal unterschätzen.
Diese… Esmenet.
Die Sklaven waren mit dem Aufstellen des Pavillons gerade erst fertig geworden. Eleäzaras war mit Iyokus gekommen, um die Kreatur – die erste, die sie lebend gefasst hatten – zu untersuchen, als Esmenet mit aufgebrachten und verblüfften Javreh aufgetaucht war. Sie war einfach hereingeschneit.
Einer der Nascenti hatte sie begleitet – Werjau wahrscheinlich (Eleäzaras war zu betrunken, um sich daran zu erinnern). Und vier der vermaledeiten Hundert Säulen. Und natürlich hatten sie alle ein Chorum um die Hand gebunden. Als kleine, streitsüchtige Gruppe standen sie im Abendlicht, das durch den Eingang drang. Eleäzaras fragte sich, ob sie überhaupt eine Ahnung hatte, wie dreist sie war. Gütiger Sejenus! Sie waren die Scharlachspitzen! Niemand drang einfach so bei ihnen ein – egal, welchen Befehl er hatte oder wer sein Herr und Meister war. Erst recht keine Frau.
Das Gemach war heiß und stickig, was an dem Filz lag, den die Sklaven an den Wänden angebracht hatten, um die Geräusche zu dämpfen. Das Wesen war – Gesicht nach unten – an das grobe Eisengerüst gefesselt worden, das die Decke stützte. Ein Lederriemen war um das Ende eines jeden seiner Gesichtsfinger gebunden, was diese Finger wie Speichen eines aufgeklappten Sonnenschirms wirken ließ. Aus dem Augenwinkel erschien Eleäzaras das Ganze wie eine groteske Parodie dessen, was Kellhus am Umiaki hatte erleiden müssen.
Blut tropfte gleichmäßig auf die Schilfmatten.
»Wir hatten voll und ganz beabsichtigt«, sagte Iyokus, »alles, was wir dem Wesen an Neuigkeiten würden abringen können, mit Euch zu teilen.«
Ob das stimmte, hing natürlich allein von den Neuigkeiten ab, die sie erfahren hätten.
»Oh«, sagte Esmenet, »ich verstehe…« Trotz ihrer kleinen Statur wirkte sie in ihrem Kianene-Kleid durchaus imposant. »Und wann hättet Ihr das getan? Irgendwann nach der Eroberung Shimehs?«
Verflixt! Diese Frage traf den Nagel natürlich auf den Kopf. Eben weil Shimeh nur noch Tage entfernt lag, hatten sie keine Aussicht, sich aus diesem kleinen und vermutlich folgenlosen Verrat herauszureden.
Das für unmöglich Gehaltene stand unmittelbar bevor.
Seltsam, wie die Ereignisse ihm die Bereiche seiner Seele, die einst ein einziger Sumpf gewesen war, gezeigt hatten! Obwohl er beim Gedanken an Shimeh und die Cishaurim lachte, stammelte etwas in ihm, geriet in Panik und stotterte wie an jenem Tag, da seine Onkel ihn in die Wellen gezerrt hatten, um ihm das Schwimmen beizubringen. Ein andermal, bitte… Ein andermal!
Wo blieb die Gerechtigkeit? Sein Vertrag mit Maithanet und den Tausend Tempeln war in einer anderen Welt geschlossen worden. Von den Rathgebern und der Zweiten Apokalypse – davon, dass die Mandati recht hatten – war darin keine Rede gewesen. Und ein leibhaftiger Prophet war natürlich auch nicht vorgekommen.
Wie hatten sie sich nur so täuschen lassen? Und welchen Zweck hatte es, nun zu morden und
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