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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Mädchen versuchte, Blut mit der flachen Hand in die klaffende Wunde an ihrer Kehle zurückzudrücken. »Akka!«, schluchzte sie.
    »Ich liebe dich, Esmenet. Die Liebe eines Narren…« Er hielt inne und drückte zwei Tränen weg. »Mehr hab ich dir nie bieten können.«
    Dann stand er plötzlich aufrecht. Ehe sie etwas sagen konnte, war er über die eingestürzte Grundmauer geschritten. Seine Bewegungen hatten etwas Alptraumhaftes, eine Dringlichkeit, die unmöglich aus seinen Gliedern kam. Sie hätte gelacht, wenn sie ihn nicht so gut gekannt hätte.
    Murmelnd ging er auf die Kavalleristen zu.
    Seine Augen leuchteten, und seine Stimme war rollender Donner.
    Kaiser Ikurei Conphas I. war ungewöhnlich gut gelaunt.
    »Eine heilige Stadt in Flammen«, sagte er zu den ernsten Mienen links und rechts. »Abertausende im Gefecht.« Er wandte sich an den alten Hochmeister, der im Sattel zu versinken schien. »Cememketri, ihr Ordensmänner behauptet doch, weise zu sein. Was verrät es über den Menschen, dass wir solche Dinge schön finden?«
    Der in Schwarz gekleidete Hexenmeister blinzelte, als müsste er Augenfeuchte loswerden. »Dass uns der Krieg im Blut steckt, gottgleicher Kaiser.«
    »Nein«, gab Conphas so munter wie gereizt zurück. »Krieg ist eine Sache des Verstandes, und die Menschen sind dumm. Gewalt steckt uns im Blut, nicht Krieg.«
    Vom Pferd sah der Kaiser über das Lager der Inrithi hinweg auf das rauchende, von Blitzen durchzuckte Shimeh. Neben dem kranken Hochmeister begleiteten ihn General Areamanteras, ein paar Offiziere und einige Boten. Sie alle standen an der höchsten Stelle des Hügelkamms. Die Kidruhil waren ein Stück den Hang hinunter in mehreren Reihen bei einigen zerstörten Bauten postiert. Fußsoldaten rückten von hinten nach und waren bereits in eine rote und eine goldene Schlachtlinie gruppiert. Alles lief wie am Schnürchen. In der Nacht zuvor waren sie ein paar Meilen entfernt in einem seltsamen kleinen Hafen an Land gegangen. Selbst der Wind war auf ihrer Seite gewesen. Und jetzt…
    Er musste über das, was er sah, kichern. Die Scharlachspitzen waren unterhalb des Juterums beschäftigt. Der halbe Heilige Krieg lief in den verrauchten Straßen Amok. Fanayal stieß südlich der Stadt vor und versuchte, die hartnäckigen Leute aus Ce Tydonn einzukesseln. Alles war genau so, wie seine Späher gemeldet hatten.
    Die Männer des Stoßzahns hatten keine Ahnung von seiner Ankunft. Also hatte Sompas, wo immer er auch sein mochte, den Scylvendi aufhalten können. Und Conphas war mit vier Kolonnen angerückt – welch ein Speer im Kreuz des Heiligen Kriegs!
    Na, Prophet, wen begünstigen die Götter jetzt?
    Ein Geburtsfehler… Also bitte!
    Er lachte auf. Die aschfahlen Mienen seiner Offiziere waren ihm egal. Plötzlich glaubte er, die gesamte Zukunft übersehen zu können. Hier würde es nicht enden, o nein! Es würde weitergehen, erst gen Süden nach Seleukara und Nenciphon, dann gen Westen nach Invishi und weiter zum fernen Auvangshei und zu den legendären Toren von Zeüm! Und er, Ikurei Conphas I. würde der neue Triamis sein, der nächste Aspektkaiser des Gebiets der Drei Meere!
    Er wandte sich mit finsterem Blick an sein Gefolge. Warum sahen sie es nicht? Es lag doch deutlich vor ihnen. Aber sie blickten eben durch den Rauch der Sterblichkeit und konnten nur ihre kostbare Heilige Stadt sehen. Mit der Zeit würde es sich schon zeigen. Bis dahin mussten sie nur –
    »Wer ist das?«, fragte General Areamanteras unvermittelt.
    Conphas erkannte den Mann sofort. Es war Drusas Achamian, der da durchs Gras auf sie zukam, und seine Augen und sein Mund glühten.
    Der Kaiser tastete nach seinem Chorum und rief: »Cememketri – «
    Doch die Hitze verschlug ihm den Atem. Er hörte Schreie wie Salz in kochender Brühe untergehen. Dann stürzte er.
    »Zu mir, Kaiser!«, rief eine alte Stimme. »Zu mir!«
    Er rollte durch verbranntes Gras. Der Hochmeister der Kaiserlichen Ordensleute stand über ihm. Aus seinem weißen Haar schienen Funken zu sprühen, und obwohl er schwankte, war seine Stimme kräftig. Magische Schutzwälle erhoben sich zwischen ihnen und dem Hexenmeister der Mandati, der sich den sich auflösenden Formationen der Kidruhil zugewandt hatte. Gewaltige Blitze fuhren durch die Luft, schlugen in die Verbände der Schweren Kavallerie ein, die Achamian am nächsten waren, und ließen Rösser und Reiter nicht nur zusammenbrechen, sondern zerschlugen sie in Stücke.
    Ein Blitz zeichnete alle

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