Der tausendfältige Gedanke
berühmten Chorae-Armbrustschützen der Scharlachspitzen – verließen ihre Deckung, krochen durch den Schutt und feuerten ihre Geschosse auf die wenigen mächtigen Cishaurim ab, die gegen die Blitze der Scharlachspitzen immun schienen. Immer wieder sahen die Rhumkari die schwarzen Umrisse von Schlangen und Gesichtern vor der grellweiß leuchtenden Umgebung auftauchen.
Rufe aber ließen die Armbrustschützen zum Himmel blicken, und sie sahen Cishaurim durch den Rauch heranschweben und in ihrer Mitte landen. Ehe Trümmer über den Rhumkari zusammenschlugen, konnten sie binnen weniger Momente über ein Dutzend Angreifer töten, ohne die Cishaurim freilich bremsen zu können, bei denen es sich schließlich um die Wasserträger Indaras handelte, um die Erstgeborenen des Einzigen Gottes. Und anders als ihre verruchten Feinde machten diese Männer sich nichts aus ihrem Leben, sondern schütteten ihr Wasser über sie.
Es war ein Gemetzel.
Unter großem Gejohle deckten die Fanim die vom Jeshimal zurückweichenden Inrithi mit Pfeilen ein. Der Rückzug ging nun immer schneller in wilde Flucht über. Bald galoppierten die Männer aus Ce Tydonn in versprengten Scharen auf das verfallene Aquädukt aus ceneischer Zeit zu. Ein paar Reiter hielten an, um ihre abgeworfenen Lehnsherren zu retten, und wurden von den nachsetzenden Heiden über den Haufen geritten. Nicht nur der Donner des magischen Gewitters, auch die Trommeln und das Kriegsgeschrei der Kianene hallten durch die Luft.
Aber die zähen, von Gotheras – Gothyelks ältestem Sohn – befehligten Fußsoldaten aus Ce Tydonn sammelten sich bereits unterhalb des Aquädukts. Immer mehr Speere und bunte Schilde tauchten zwischen den bröckelnden Pfeilern auf. Nach Norden hin, wo das Aquädukt vor den Tatokar-Mauern in einen geraden Wall überging, machten die Ainoni sich gleichfalls zur Abwehr bereit. Pfalzgraf Uranyanka brüllte seine Moserothi an, die Lücke zu den von Graf Iyengar befehligten Kämpfern aus Nangael zu schließen. Lord Soter führte seine blutdurstigen Kishyati in einer verzweifelten Attacke von Norden heran.
Die Ritter aus Ce Tydonn galoppierten planlos auf die Truppen ihrer Landsleute zu. Die meisten brachen durch die Reihen, um im Schutz der Infanterie zu Atem zu kommen. Einige aber – unter ihnen auch Werijen Großherz – rissen ihr Pferd herum, stießen Kriegsrufe aus und wappneten sich für den Angriff der Heiden.
Wie Hagel auf Zinn gingen die Pfeile auf sie nieder.
»Hier!«, rief Graf Gothyelk von Agansanor. »Hier stehen wir!«
Doch die Fanim schwenkten seitwärts ab und gaben sich damit zufrieden, schwirrende Pfeilsalven loszulassen. Die Ritter aus Kishyat mit ihrem überm rechteckig geflochtenen Bart grell weiß geschminkten Gesicht hatten den Gegnern auf ihrer Flanke einen hohen Blutzoll abverlangt, und Cinganjehoi wusste nur zu gut, wie hartnäckig die Götzendiener jeden Quadratmeter Boden verteidigten, den sie einmal betreten hatten. Außerdem hatten bisher erst wenige Fanim den Jeshimal überquert.
Doch Fanayal ab Kascamandri – der Padirajah des heiligen Kian – war im Anmarsch.
Die Männer aus Conriya jagten die Fanim über den Esharsa-Markt und durch Elendsviertel und Gassenlabyrinthe. Ihre Zahl nahm dabei allerdings stets ab, weil sich immer mehr Kämpfer dem Rauben und Plündern widmeten. Sie hielten erst an, als sie die breiten Schilfsümpfe erreichten, wo einst Shimehs großer Hafen gewesen war.
Proyas hatte es längst aufgegeben, seinen Männern Ordnung oder Zurückhaltung einzuimpfen. Der Irrsinn der Schlacht hatte sie erfasst, und obwohl ihm das Herz blutete, verstand er, was es bedeutete, sein Leben aufs Spiel zu setzen, und warum sie sich dafür brutale Freiheiten nahmen.
Shimeh schien da keine Ausnahme zu sein.
Nein, es ist keine Ausnahme…
Weil Proyas bei der Verfolgung von seinen Männern getrennt worden war, strich er nun allein durch dunkle Straßen. Er kam auf einen kleinen Marktplatz, wo die steilen Fassaden ein wenig zur Seite rückten und er die Höhen des Juterums sehen konnte: Die Heterin-Mauer war in flackerndes Licht getaucht, und die hohen Säulen des Ersten Tempels leuchteten in starrem Blau. Große, da und dort aufgerissene Rauchwände wehten vom Fuß der Höhen im Westen, stiegen zum Himmel, wie Sand durch klares Wasser fallen mochte, trieben in die auf magische Weise erzeugten Wolken und mischten sich mit ihnen, sodass der Himmel voller Rauch schien, der unter einer riesigen Decke hervor
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