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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Schatten neu. Zwischen erhobenen Fingern sah Conphas eine Sonne aus den schwarzen Wolken fallen und auf den Mandati stürzen. Feuerstöße breiteten sich in alle Richtungen aus, und Conphas hörte sich erleichtert und begeistert schreien.
    Doch als seine Blendung nachließ, sah er die Flammen ins Nichts verschwinden und erblickte ihn so deutlich wie in der Nacht unter den Andiamin-Höhen oder wie im Sapatishah-Palast in Caraskand: Drusas Achamian stand unverletzt, ja unberührt da und lachte, während ihm lodernde Helle über die Lippen drang.
    Aus dem Nichts tat es einen gewaltigen Schlag. Die Luft barst geradezu.
    Cememketri fiel auf ein Knie und brachte ein merkwürdiges Keuchen hervor. Lichtparabeln erfüllten die Luft über seinen halb zerschmetterten Abwehrformeln. Eiserne Zähne waren zu hören, und es schien, als würden sie die Knochen der Welt zermalmen… Cememketris Stimme zitterte in Panik und brachte zwischen greisenhaftem Keuchen mühsam ein paar Worte hervor.
    Eine weitere Erschütterung warf Conphas mit dem Gesicht voran in die Asche. Seine Ohren dröhnten, doch er hörte noch immer die heisere alte Stimme…
    »Lauft!«
    Und der Kaiser rannte schreiend davon.
    Das Blut seines Hochmeisters landete wie Schneeregen auf seinem Rücken.
    Fluchend sprang der vor dem Zelt des Kriegerpropheten postierte Wächter auf und musterte die sich nähernde Gestalt, die sich… nicht richtig bewegte. Mitunter schien sie ein Mensch zu sein, dann wieder etwas anderes, die Puppe einer Motte womöglich oder ein Kleiderhaufen, etwas jedenfalls, das – obwohl von allen Seiten zusammengedrückt – nicht kleiner wurde.
    Und die Luft schien zu… knistern, als würden in der Nähe Papyrusrollen brennen.
    Er stand steif und ohne zu atmen da. Alles in ihm wollte flüchten.
    Doch er war einer von den Hundert Säulen. Es war schmachvoll genug, zurückgelassen worden zu sein, aber jetzt auch noch zu versagen? Er zog sein Langschwert und rief verwirrt: »Haiti«
    Und wundersamerweise blieb das Wesen stehen.
    Zugleich aber griff es nach außen aus, als würde es weiche Innenflächen freilegen und dem stechenden Licht aussetzen.
    Der Soldat sah sich einem Gesicht wie Sommersonnenlicht gegenüber. Glieder schälten sich im Feuer.
    Das Wesen packte seinen Kopf und häutete ihn wie eine Traube, während dem Sterbenden eine Stimme durchs Hirn geisterte: Wo ist Drusas Achamian?
     
     
    Schwarze Wolkenwirbel schimmerten in Feuer und Licht, und die äußeren Säulen des Ersten Tempels traten vor ihrem unergründlich dunklen Inneren leuchtend hervor.
    Auf den mit Donnerstimme erteilten Befehl ihres Hochmeisters hin wichen die flankierenden Einheiten der Scharlachspitzen vor den anstürmenden Blitzen zurück und bildeten auf den Trümmern, in die sie die Gegend unterhalb der Heiligen Höhen verwandelt hatten, einen großen Kreis. Die ihnen zahlenmäßig überlegenen Cishaurim griffen an, wobei die Schlangen, die ihnen um die Hälse lagen, die Köpfe nach vorn reckten. Jeweils zu dritt arbeiteten sich die Schwächeren mal kriechend, mal spurtend durch die Trümmer voran, wobei ihnen weißblaue Energieströme aus der Stirn drangen und an Wasser erinnerten, das in unsichtbare Tiefen stürzt. Die Stärkeren dagegen schwebten stolz dahin und verströmten reißende Lichtfluten. Überall prallte weiß glühendes Licht auf berstende Trümmerreste.
    Wenn sie gerade keine magischen Formeln sangen oder ihren Abwehrzauber erneuerten, riefen die Scharlachspitzen ihren Schildträgern Befehle und anfeuernde Worte zu. Wenn ein Kriegersklave auf dem tückischen Boden stolperte, kam aus Feuer und Dunkel ein Chorum geschwirrt. Hem-Arkidu wurde getroffen, stürzte aber nicht, sondern blieb zur Salzsäule erstarrt stehen, während gleißende Peitschenhiebe seinen vergehenden Abwehrzauber durchschlugen.
    Der Kreis rückte immer enger zusammen. Die Ordensmänner gaben ihren abwehrenden Ringzauber auf und gingen dazu über, den Raum vor ihnen mit weit robusterem Richtungszauber zu verteidigen, mit dem schnell gesprochenen Fallgitter nämlich und den schwierigeren, aber mächtigen Schutzwällen von Ur.
    Und dann gingen sie gemeinsam zum Angriff über.
    Furchtbare Schwingungen ließen Shimeh bis in die Grundfesten erbeben: der schrecklich erhabene Drachenkopf, die sengenden Memkotischen Furien, das Atemluft verzehrende Meppa-Katarakt. Dutzende Cishaurim verschwanden in golden kochenden Strömen; andere stürzten brennend vom Himmel. Viele Rhumkari – die

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