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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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schlaff wirken. »Aber die Dinge… haben sich geändert.«
    Das Wortgefecht war pure Heuchelei – eine bloße Inszenierung, die den Eindruck von Kontinuität erwecken sollte. Proyas’ Verhalten hatte das überdeutlich gemacht, obwohl der Prinz das nie zugeben würde. Nur die Entscheidung eines einzigen Mannes zählte.
    Alle Blicke hatten sich zum Kriegerpropheten erhoben. Obwohl er ungestümer war als die anderen Hohen Herren, wirkte Saubon nun verdrossen – ein im eigenen Palast düpierter König.
    »Wer den Krieg ins Heilige Shimeh trägt«, sagte der Kriegerprophet, und es klang, als setzte er jedem von ihnen ein Messer auf die Brust, »muss es freiwillig tun…«
    »Nein«, sagte Saubon heiser. »Bitte nicht.«
    Erst verstand Cnaiür den Sinn dieser Antwort nicht, doch dann begriff er, dass der Dûnyain Saubon gezwungen hatte, seine eigene Verdammung zu wählen. Er gab ihnen die Wahlfreiheit nur zurück, wenn es nötig war, sie zur Verantwortung zu ziehen. Diese unerträgliche Raffinesse!
    Der Kriegerprophet schüttelte sein Löwenhaupt. »Dann kann ich nichts mehr tun.«
    »Beraubt ihn des Throns«, sagte Ikurei Conphas unvermittelt. »Lasst ihn auf die Straße schleifen.« Er zuckte die Achseln wie einer, der lange gelitten hatte. »Und ihm die Zähne ausschlagen.«
    Diese Worte trafen auf erstauntes Schweigen. Als Oberhaupt der orthodoxen Verschwörer – und obendrein als Vertrauter von Sarcellus – war Conphas unter den Hohen Herren zum Außenseiter geworden. Zu der letzten Ratssitzung, die der Schlacht vorangegangen war, hatte er wenig beigetragen, und wenn er doch etwas gesagt hatte, dann mit der Verlegenheit eines Menschen, der gezwungen war, sich in einer unvertrauten Sprache auszudrücken. Nun aber schien es, als sei seine Geduld zu Ende gegangen.
    Conphas musterte seine verblüfften Tischgenossen und schnaubte. Sein blauer Mantel war nach Art der Nansur über das aufgeprägte Gold seines Brustharnischs geschlagen. Von allen Versammelten schien nur er ungezeichnet – als wären seit der schicksalhaften Beratung auf den Andiamin-Höhen nur ein paar Tage vergangen.
    Er wandte sich an den Kriegerpropheten. »Solche Dinge liegen doch in Eurer Macht?«
    »Unverschämtheit!«, zischte Gothyelk. »Ihr wisst nicht, was Ihr sagt!«
    »Ich versichere Euch, dass ich stets weiß, was ich sage.«
    »Und was könnte das sein?«, fragte der Kriegerprophet.
    Conphas lächelte herausfordernd. »Dass all dies pure Heuchelei ist. Und dass Ihr…« – er sah erneut in die Gesichter ringsum – »… ein Schwindler seid.«
    Empörtes Flüstern lief durch den Saal. Der Dunyain lächelte nur.
    »Aber das sagt Ihr doch gar nicht.«
    Vielleicht zum ersten Mal spürte Conphas die ungeheure Autorität, die der Dûnyain über diese Männer hatte. Der Kriegerprophet war mehr als ihre Mitte, wie das womöglich ein General sein konnte: Er war ihre Mitte und ihr Fundament. Diese Männer richteten nicht nur ihre Worte und Taten nach seinen Vorgaben aus, sondern auch ihre Leidenschaften und Hoffnungen. Und sie hatten das so unbedingt getan, dass nun jede ihrer Seelenbewegungen dem Kriegerpropheten gehorchte.
    »Aber«, begann Conphas verständnislos, »wie könnte ein anderer…«
    »Ein anderer?«, fragte der Kriegerprophet. »Verwechselt mich nicht mit einem ›anderen‹, Ikurei Conphas – ich bin hier, bei Euch.« Er beugte sich auf eine Weise vor, die Cnaiür den Atem stocken ließ. »Ich bin hier, in Euch.«
    »In mir«, wiederholte der Oberbefehlshaber der Nansur.
    Das hatte verächtlich klingen sollen, hörte sich aber verängstigt an.
    »Mir ist klar«, fuhr der Dunyain fort, »dass Ihr dies aus Ungeduld sagt und Euch die Veränderungen, die meine Gegenwart im Heiligen Krieg bewirkt hat, verunsichert haben. Ich weiß, dass die Kraft, die ich den Männern des Stoßzahns gegeben habe, Eure Pläne bedroht. Ich weiß, dass Ihr Euch über Euer weiteres Vorgehen unsicher seid und nicht wisst, ob Ihr mir mit derselben vorgetäuschten Unterwerfung begegnen sollt, die Ihr Eurem Onkel entgegenbringt, oder ob Ihr versuchen sollt, mich mit offenen Worten in Misskredit zu bringen. Deshalb verleugnet Ihr mich nun, aus Verzweiflung, nicht, um den anderen zu beweisen, dass ich ein Schwindler bin, sondern um Euch zu beweisen, dass Ihr der Überlegene von uns beiden seid. Denn in Euch steckt eine schamlose Arroganz, Ikurei Conphas – die Überzeugung nämlich, das Maß aller Menschen zu sein. Und diese Lüge wollt Ihr unter allen

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