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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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dem Weggang der Frau Pochon wurde er nämlich zuerst gefragt, was er mit seinem Attalus III., Philometor, eigentlich gemeint habe.
    »Bluff«, sagte O'Key, »haben Sie noch nie bemerkt, daß man schreiende Leute sofort mit einem historischen Ausspruch mundtot machen kann?«
    Pillevuit saß darauf lange schweigend, dann sagte er: »Ich glaube Ihnen nicht recht, Irokese, Sie sind ein ganz Durchtriebener. Aber das ist ja gleichgültig. Jetzt sollten wir wohl den Professor doch vornehmen, nicht wahr? Oder gar verhaften?«
    »Vorsicht, meine Herren«, flötete Herr Despine und machte die Stimme des Sonnette dichtenden Staatsanwalts so ausgezeichnet nach, daß die beiden andern lachten, »lassen wir unsere Genfer Berühmtheit in Frieden, wir besitzen so wenig hervorragende Mitbürger von internationaler Bedeutung.«
    »Richtig«, sagte O'Key, »halten wir uns vorläufig an dieses Argument. Es ist so gut wie ein anderes. Vielleicht kann ich Ihnen morgen weitere Neuigkeiten mitteilen. Ich treffe heute nachmittag einen Bekannten…«
    Da klopfte es, der Gerichtsdiener trat ein, lächelnd, und wandte sich vertraulich an Herrn Despine. Die beiden kannten sich schon lange, und der Diener wußte von seines Vorgesetzten Schwäche für Klatsch.
    »Es wird erzählt…«, begann er, und dann berichtete er von dem seltsamen Raunen in den Gängen, von der Frau, die Fliegen und Ungeziefer herbeigezaubert habe. Herr Despine lachte schallend, er krähte sogar, als er vom zerstochenen Malan hörte und Kommissar Pillevuit stimmte mit tiefem Gurgeln in dieses Lachen ein. Nur O'Key blieb schweigsam. Als die Herren sich dann einigermaßen beruhigt hatten, geschah jener zweite Ausspruch O'Keys.
    »IAO«, sagte er, »ist ein anderer Name für Abraxas. Und im Louvre-Papyrus steht zu lesen: ›Sprecht nicht den Namen IAO aus unter der Strafe des Pfirsichs‹. Das will heißen: Steinfrüchte enthalten in ihrem Kern Bittermandelöl; vielleicht ist es gut, daß Frau Pochon das Amulett mitgenommen hat.«
    Erst jetzt bemerkte Herr Despine das Fehlen der Münze mit dem Fliegengott. Und vielleicht doch beeinflußt durch den Ausspruch O'Keys beschloß er, jeglichen Schritt zu ihrer Wiedererlangung zu unterlassen. Nachher freilich erinnerte er sich an O'Keys Bemerkung von der Mundtotmachung durch historische Zitate. Er schämte sich ein wenig, aber dies schadet nichts, da O'Key zusammen mit dem Kommissar schon das Zimmer verlassen hatte.
    In der Gegend der Palanterie, jenes Sumpfes, der den Genfern im Winter als Schlittschuhlaufplatz dient, aber noch weiter gegen die französische Grenze zu, steht eine einsame Bank am See. Man kann sie auf zwei Wegen erreichen. Der eine führt von der Tramhaltestelle über die Felder, der andere hält sich an das Seeufer und kommt vom Port-Noir. Es war tiefer Nachmittag, als zwei Herren, jeder von einer andern Seite kommend, sich an dieser Bank trafen. Sie lächelten, als sie sich sahen, zogen beide die Uhren, nickten. Der eine, von unbestimmbarem Alter und neutralen Gesichtszügen, trug trotz der Hitze einen steifen, runden Hut, eine ›Melone‹, und war in dunkles Blau gekleidet. Der andere trug einen grauen Flanellanzug, weißes offenes Sportshemd. Die Sonne hatte den See in eine glattpolierte Silberplatte verwandelt; sein Anblick schmerzte.
    »Colonel«, sagte O'Key, »verzeihen Sie meinen Anruf. Aber es war wichtig.«
    »Es war ganz richtig, Simp«, sagte der Kammerdiener Charles, »wenn ich alter Esel Fehler mache, so muß ich sie auch ausbaden. Ich werde es mir nie verzeihen, daß ich meinen Alten an dem Morgen hab' entwischen lassen. Kannst du dir vorstellen, wie erstaunt ich war, als ich um acht Uhr ihm sein Frühstück bringen wollte, und kein Mensch da war?«
    »Doch, Colonel«, sagte O'Key, »das kann ich mir lebhaft vorstellen.«
    »Mach keine Witze. Sonst zieht sich der Alte nie ohne mich an. Aber ich sage, die dümmsten Leute werden raffiniert, sobald sie alt werden. Sie verlegen sich dann aufs Intrigieren, weil ihnen die Liebe nichts mehr zu sagen hat. Schon dort unten«, Charles winkte in die Ferne, »hat er mich übers Ohr gehauen mit seiner plötzlichen Landesverweserschaft. Nur gut, daß man mir in London keinen Strick daraus gedreht hat.«
    »Ach, die wissen dort auch, daß es nicht immer einfach ist, alles zu erfahren. Aber sagen Sie, Colonel, wie ist die Vertreibung des Maharaja vor sich gegangen?«
    »Offen gestanden, Simp, ich bin selbst nicht ganz nachgekommen. Das Ganze hat mit einer Spekulation

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