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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Genossen sich aufgeregt, daß die Agentin der proletarischen Internationale mit einem Jungen schäkerte, denn Sentiment und Liebe sind eine Zerstreuung für indolente Bourgeois, und entbehren jeglicher aufbauenden Eigenschaften, – aber trotz aller dieser Erwägungen müssen wir feststellen, daß besagte Natascha eigentlich ganz zufrieden war. Sie war ja nicht so gar viel älter als dieser junge Rosenstock, vier – fünf Jahre vielleicht, sie benahm sich infantil, gewiß, aber schließlich ist die Liebe eben noch eine der wenigen Situationen, in denen man sich mit gutem Gewissen kindlich benehmen darf. Darum sagte Natascha auch: »Der kleine Junge haßt die böse alte Hexe, die Menschen quälen läßt und sich daran erfreut. Ist es nicht so?« Jakobs Lachen war darauf noch feucht, mit Schluchzen vermischt. »Du hast es doch für deine Überzeugung getan, und nicht für Geld«, stotterte er. »Vielleicht habt Ihr auch das Recht, so zu handeln, oder?«
    »Das ist gleichgültig«, Natascha wurde wieder ernst. »Ich muß noch fertig erzählen. Der Professor hat seinen Vertrag gehalten, bis kurz vor Crawleys Tod. Da ist eine Veränderung mit ihm vorgegangen, plötzlich war nichts mehr mit ihm anzufangen, es war, als hätte er plötzlich einen neuen Rückhalt bekommen. Baranoff konnte drohen, so viel er wollte, er erhielt immer die gleiche Antwort: ›Bitte, tun Sie, was Sie nicht lassen können.‹ Und Baranoff konnte nicht einmal mit seinem unterschriebenen Dokument herausrücken, sonst hätte er sich selbst bloßgestellt; dieses ganze Geständnis des Professors war ja eigentlich nur eine Waffe, solange sich der Professor unsicher fühlte, und plötzlich benahm er sich sicher. Er ließ Baranoff von einer Bank zehntausend Franken überweisen, er hatte auf einmal Geld, und wir konnten nicht herausbringen, woher. Eltester, der Apotheker, wurde schweigsam, es war, als ob er vor irgend etwas Angst hätte, er ließ sich verleugnen, wenn Baranoff ihn besuchen wollte. Ich habe dann Crawley überwacht und zugleich den Professor, die beiden waren fast immer zusammen, aber jeden Tag sind sie mir auf eine oder zwei Stunden entwischt, und ich konnte nicht herausbringen, wo sie hinverschwunden waren. Und dann kam das Merkwürdigste. Nydecker, der für Crawley immer noch die Vertragsentwürfe abschrieb, brachte uns an einem Tag die Abschrift eines merkwürdigen Dokumentes: Vertragsentwurf zwischen dem indischen Randstaat, in dem der alte Bose Landverweser ist, und… du wirst es nie erraten – und Moskau. Baranoff lief zur Delegation, die wußte gar nichts von der Sache. Also machte sich jemand lustig über uns. Nydecker war darauf verschwunden. Wir haben ihn gesucht, er hatte sein Zimmer bei jener Jane Pochon, der Haushälterin des Professors. Nie war er daheim – wenigstens behauptete es die Frau. Und wie sollten wir ihre Aussagen kontrollieren? Dann kam Crawleys geheimnisvoller Tod. Ich bin am nächsten Tag ins Spital gegangen, um zu sehen, wie es dem Jungen geht. Aber ich habe nichts erfahren können. Dann, einige Tage später, an einem Abend, habe ich Eltester besucht, das heißt, ich wollte ihn besuchen, aber der Laden war geschlossen, ich habe geklopft, aber niemand hat mir Antwort gegeben. Durch die geschlossene Tür habe ich ein merkwürdiges Singen gehört, so, wie in unsern alten russischen Gottesdiensten klang es, das Singen; gegen Morgen bin ich dann noch einmal hingegangen, aber da war alles still. Am Abend haben wir dann erfahren, Eltester sei ermordet worden. Und das Schwierigste für mich ist folgendes: Ich habe gemerkt, daß Baranoff gegen mich arbeitet. Er weiß etwas, und das sagt er mir nicht. Heute hat uns ein Engländer besucht, und da hat Baranoff sehr merkwürdig gesprochen. Einen Teil der Wahrheit gesagt, einen Teil verschwiegen. Als der Engländer dann fort war, hat Baranoff telephoniert. Er hat etwas von einem ›Meister‹ verlauten lassen, und ich habe nicht verstanden, wen er damit gemeint hat. Nur, daß du den Professor ›Meister‹ nennst, hat mich auf den Gedanken gebracht, daß vielleicht doch der Professor hinter der ganzen Sache steckt. Er hat ja gewußt, daß Nydecker für uns arbeitet, und Nydecker ist jetzt im Irrenhaus, verrückt geworden, darum haben wir ihn nicht gefunden. Aber auch hinter dieser Verrücktheit steckt etwas. Ein sonst normaler Mensch, – und dieser Nydecker war ein harmloser Bursche, – hatte ein wenig überspannte religiöse Ideen, – nein«, sagte sie plötzlich fest,

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