Der Tempel der Ewigkeit
Einfaltspinsel, hättest du mich längst beseitigt. Weshalb sollte ich den Versprechungen eines mächtigen Mannes Glauben schenken? Für sein Verhalten zählt nur der eigene Vorteil und sonst nichts.»
«Bist du schon so enttäuscht worden, Acha?»
«Ich sehe die Dinge nur so, wie sie sind. Wenn du erst einmal Pharao bist, wirst du dich bei der Wahl deiner höchsten Beamten allein davon leiten lassen, was dir in diesem Augenblick nutzt. Vielleicht wirst du dann sogar Leute wie mich, die dir dazu verholfen haben, den Thron zu besteigen, aus deiner Nähe verbannen.»
Chenar lächelte.
«Du bist überaus scharfsinnig, Acha.»
«Das Reisen hat mir ermöglicht, verschiedene Formen des Zusammenlebens und sehr unterschiedliche Menschen zu beobachten, und überall herrschte das Recht des Stärkeren.»
«Zu Sethos’ Zeiten war das in Ägypten nicht so.»
«Sethos ist tot. Und Ramses hat ein kriegerisches Wesen, dessen Neigung zur Gewalt noch nicht zum Ausbruch kommen konnte. Genau das verheißt uns jedoch gute Aussichten auf einen Erfolg.»
«Du möchtest also für deine Dienste sofort entlohnt werden.»
«Dein Scharfsinn ist auch beachtlich, Chenar.»
«Ich würde gern genau wissen, was du erwartest.»
«Meine Familie ist zwar sehr wohlhabend, gewiß, aber ist man jemals reich genug? Einer, der so viel reist wie ich, weiß das Vergnügen zu schätzen, zahlreiche Häuser sein eigen zu nennen. Ich möchte mich, wie es mir gerade beliebt, mal im Norden und mal im Süden ausruhen. Drei Wohnsitze im Delta, zwei in Memphis, zwei in Mittelägypten, zwei in der Gegend von Theben und einer in Assuan erscheinen mir unentbehrlich, um mich meines Daseins so recht zu erfreuen, wenn ich mich in Ägypten aufhalte.»
«Du verlangst von mir ein Vermögen.»
«Eine Kleinigkeit, Chenar, eine harmlose Kleinigkeit, gemessen an dem Dienst, den ich dir erweisen werde.»
«Willst du auch noch edle Metalle und kostbare Steine?»
«Das versteht sich von selbst.»
«Ich hätte nicht gedacht, daß du so käuflich bist, Acha.»
«Ich umgebe mich gern mit Luxus, mit großem Luxus. Sollte jemand wie du, ein Liebhaber erlesener Vasen, kein Verständnis für diese Schwäche aufbringen?»
«Doch, aber so viele Häuser…»
«Prunkvolle Häuser, die einen würdigen Rahmen für ihre prächtigen Möbel bilden! Sie werden mein Paradies auf Erden sein, Orte der Freude, an denen ich der alleinige Herr bin und geachtet werde, während du Stufe um Stufe zum Thron Ägyptens emporsteigst.»
«Wann soll ich anfangen, deine Forderungen zu erfüllen?»
«Sofort.»
«Du bist noch nicht in dein neues Amt berufen.»
«Was auch immer geschehen mag, meine Stellung wird nicht unbedeutend sein. Sporne mich also an, dir gern zu dienen!»
«Womit beginnen wir?»
«Mit einem großen, schönen Haus im Nordosten des Deltas, nahe der Grenze. Sorge dafür, daß es von ausgedehnten Ländereien mit einem Weingarten umgeben ist und daß ein See zum Baden sowie eifrige Diener vorhanden sind. Selbst wenn ich nur einige Tage im Jahr dort wohne, wünsche ich wie ein Fürst behandelt zu werden.»
«Ist das alles, wonach dir der Sinn steht?»
«Die Frauen habe ich noch vergessen. Wenn ich auf Reisen bin, muß ich mich oft mit nur wenigen begnügen, doch zu Hause habe ich gern viele um mich, schöne Frauen, die nicht zu scheu sind. Woher sie kommen, ist mir nicht so wichtig.»
«Ich bin bereit, auf deine Ansprüche einzugehen.»
«Und ich werde dich nicht enttäuschen, Chenar. Jedoch habe ich noch eine entscheidende Bedingung: Unsere Zusammenkünfte müssen streng geheim bleiben, und du darfst mit niemandem darüber sprechen. Würde Ramses jemals davon erfahren, wäre meine Laufbahn zu Ende.»
«Da deckt sich dein Anliegen mit meinem.»
«Es gibt kein besseres Unterpfand der Freundschaft. Bis bald, Chenar.»
Während Ramses’ älterer Bruder dem jungen Gesandten nachblickte, dachte er, daß das Glück ihn nicht verlassen habe. Dieser Acha war ein Mann mit Weitblick. Er würde es dereinst bedauern, wenn er sich seiner entledigen mußte.
ELF
DAS BOOT DER großen königlichen Gemahlin führte die Flotte an, die Memphis in Richtung Theben verließ und Kurs auf das Tal der Könige nahm, in dem Sethos’ einbalsamierter Leichnam seine letzte Ruhestätte finden würde. Nefertari wich kaum von Tujas Seite, denn sie spürte ihren Schmerz, den sie mit bewundernswert heiterem Gleichmut trug. Dieser nahe Umgang mit der Witwe des großen Königs lehrte
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