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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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wäre gern auf das Schiff zurückgekehrt, um sich mit Ameni zu beraten, vermochte sich aber der Besichtigung des Tempels, seiner Werkstätten und Schatzhäuser nicht zu entziehen. Überall herrschten Ordnung und Schönheit.
    Am Ufer des heiligen Sees vergaß Ramses seine Sorgen. Die heitere Ruhe dieses Ortes, die bezaubernden Beete voller Iris und Kornblumen sowie der Anblick der Priesterinnen, die Wasser für das abendliche Ritual geschöpft hatten und nun gemessenen Schrittes dem Heiligtum zustrebten, hätten auch den verstörtesten Geist besänftigt.
    Ein alter Mann jätete Unkraut und schob es in einen Sack. Seine Bewegungen waren langsam, jedoch entschieden. Er kniete auf dem Boden und kehrte dem Königspaar den Rücken zu. Dieser Mangel an Ehrerbietung hätte eigentlich einen Tadel verdient, doch der Greis schien so in seine Arbeit vertieft, daß der König ihn nicht zur Rede stellte.
    «Deine Blumen sind wunderschön», sagte Nefertari.
    «Ich spreche liebevoll mit ihnen», entgegnete der Mann mit brüchiger Stimme. «Sonst würden sie nicht gedeihen.»
    «Derlei habe ich auch schon festgestellt.»
    «Ach? Du, eine so schöne junge Frau, du hegst auch einen Garten?»
    «In den seltenen Stunden, in denen ich dafür Zeit finde.»
    «Bist du denn so beschäftigt?»
    «Mein Amt läßt mir nur wenig Muße.»
    «Stehst du Priesterinnen vor?»
    «Auch das gehört zu meinen Aufgaben.»
    «Sind dir noch andere auferlegt? Oh, vergib mir… Ich habe kein Recht, dich auf diese Weise mit meinen Fragen zu behelligen. In der Liebe zu Blumen eines Sinns zu sein ist eine wundervolle Art, einander zu begegnen, dazu braucht man nicht mehr zu wissen.»
    Der alte Mann verzog vor Schmerz das Gesicht.
    «Dieses verfluchte linke Knie… Bisweilen peinigt es mich so, daß ich nur mit Mühe aufzustehen vermag.»
    Ramses bot dem Gärtner seinen Arm.
    «Danke, mein Prinz… Du bist doch ein Prinz?»
    «Heißt dich der Oberpriester von Dendera diesen Garten pflegen?»
    «Ja, ja, so ist es.»
    «Man sagt, er sei streng, aber krank und nicht mehr imstande zu reisen.»
    «Das stimmt. Magst du auch Blumen, wie diese junge Frau?»
    «Bäume pflanzen ist mir die liebste Zerstreuung. Aber ich würde mich gern mit dem Oberpriester unterhalten.»
    «Aus welchem Grund?»
    «Weil er der Versammlung seiner Amtsbrüder ferngeblieben ist, die Ramses den zukünftigen Oberpriester des Amun vorschlagen soll.»
    «Willst du diesem alten Diener der Götter nicht gewähren, sich seinen Blumen zu widmen?»
    Ramses hegte keinen Zweifel mehr: Er stand dem Oberpriester gegenüber, der sich als Gärtner ausgab.
    «Trotz seines schmerzenden Knies scheint er mir dazu imstande zu sein, ein Schiff zu besteigen und nach Theben zu fahren.»
    «Die rechte Schulter ist auch nicht mehr die beste, die Last der Jahre drückt sehr schwer, der…»
    «Sollte der Oberpriester von Dendera mit seinem Los unzufrieden sein?»
    «Im Gegenteil, Majestät. Er wünscht sich nur, seine Tage in Frieden innerhalb der Mauern dieses Tempels beschließen zu dürfen.»
    «Und wenn der Pharao persönlich ihn bäte, an der Versammlung teilzunehmen, damit seine Amtsbrüder aus seiner Erfahrung Nutzen ziehen können?»
    «Falls der Pharao trotz seiner Jugend schon über einige Weisheit verfügt, dann erspart er einem alten Mann derartige Anstrengungen. Ist Ramses denn willens, mir meinen Stock zu geben, der dort an der Mauer lehnt?»
    Der König reichte ihm den Stock.
    «Du siehst doch, Majestät, der alte Nebou vermag kaum noch zu laufen. Wer wollte es da wagen, ihn zu zwingen, daß er seinen Garten verläßt?»
    «Bist du als Oberpriester von Dendera wenigstens bereit, dem König von Ägypten einen Rat zu erteilen?»
    «In meinem Alter zügelt man besser seine Zunge.» «Das entspricht nicht der Meinung des Weisen Ptah-hotep, dessen Lehren uns leiten, seit die Pyramiden erbaut wurden. Dein Urteil wird mir sehr wertvoll sein, und ich möchte es gern vernehmen. Wer wäre deines Erachtens am besten geeignet, das Amt des Oberpriesters des Amun zu bekleiden?»
    «Ich habe mein ganzes Leben in Dendera zugebracht und bin nie in Theben gewesen. In Fragen der Rangordnung bin ich nicht sehr bewandert. Möge Majestät mir vergeben, aber ich habe mir angewöhnt, früh zu Bett zu gehen.»
    Nefertari und Ramses verbrachten einen Teil der Nacht in Gegenwart der Sternkundigen auf dem Dach des Tempels. Am nächtlichen Himmel strahlten Tausende von Seelen und der schimmernde Hof aus unvergänglichen Sternen

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