Der Tempel der Ewigkeit
einzige Hoffnung, unseren früheren Rang wiederzuerlangen. Und diese Anbetung Atons ist so schön, so rein… Bewegt es nicht dem Herz, wenn Ofir von seinem Glauben spricht?»
«Zählt dein Mann nicht mehr als dieser libysche Magier?»
«Aber… Das läßt sich nicht vergleichen.»
«Er hat dich den ganzen Tag vor Augen, während ich die Aufsicht über diese faulen Hebräer führen muß. Eine Blonde und eine Dunkelhaarige unter einem Dach… Der hat’s wahrlich gut, dein Ofir.»
Dolente hörte auf, die kranke Zehe zu massieren.
«Du redest wirres Zeug, Sary. Ofir ist ein Weiser, ein Mann der Gebete. Der denkt schon lange nicht mehr an…»
«Und du, denkst du noch daran?»
«Du widerst mich an!»
«Zieh dein Kleid aus, Liebling, und massiere weiter! Ich halte nämlich nicht soviel vom Beten.»
«Ach, ich habe etwas vergessen.»
«Was denn?»
«Ein königlicher Bote hat einen Brief für dich abgegeben.»
«Bring ihn mir!»
Dolente huschte hinaus. Sarys große Zehe schmerzte schon weniger. Was die Verwaltung wohl von ihm wollte? Sicher berief man ihn in ein ehrenvolleres Amt, in dem er nichts mehr mit diesen Hebräern zu tun hatte.
Seine Gemahlin kehrte mit dem Sendsehreiben wieder. Sary löste das Siegel des Papyrus, entrollte ihn und las.
Dann verzog er das Gesicht und bekam bleiche Lippen.
«Eine schlechte Nachricht?»
«Ich werde samt meinen Ziegelmachern nach Memphis beordert.»
«Das ist… das ist ja wunderbar!»
«Aber unterschrieben hat den Brief Moses, als Oberster Aufseher über die Baustätten des Königs.»
ACHTUNDDREISSIG
KEIN HEBRÄISCHER ZIEGELMACHER fehlte, alle waren Moses’ Aufruf gefolgt. In den Städten und Dörfern, in denen sie gearbeitet hatten, war beim Eintreffen der Briefe allgemeiner Jubel ausgebrochen. Jeder wußte, daß Moses seine Brüder verteidigte und keinerlei Unterdrückung duldete. Ramses’ Freund zu sein kam ihm dabei sehr zustatten, und nun war er gar zum Obersten Aufseher über die Baustätten des Königs ernannt worden! In vielen keimte ungeheure Hoffnung auf. Würde der junge Hebräer nicht dafür sorgen, daß ihre Löhne und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten mußten, verbessert wurden?
Er selbst hatte nicht mit einem derart überwältigenden Erfolg gerechnet. Die Anführer einiger Sippen waren zwar erbost, doch Entscheidungen des Pharaos ließen keinen Widerspruch zu. Also fanden sie sich damit ab, unter der Aufsicht von Moses zu stehen. Und der lief vorerst durch das im Norden von Memphis errichtete Zeltlager und sah überall nach dem Rechten.
Da vertrat Sary ihm den Weg.
«Weshalb hast du diese Zusammenkunft einberufen?»
«Das wirst du bald erfahren.»
«Ich bin schließlich kein Hebräer!»
«Es sind noch mehr ägyptische Aufseher zugegen.»
«Solltest du vergessen haben, daß meine Gemahlin die Schwester des Königs ist?»
«Ich bin immerhin der Oberste Aufseher über seine Baustätten. Mit anderen Worten: Du schuldest mir Gehorsam.»
Sary biß sich auf die Lippen.
«Meine Herde Hebräer ist überaus zuchtlos. Ich habe mir angewöhnt, den Stock zu gebrauchen, und trage mich nicht mit der Absicht, dies zu ändern.»
«Zu Recht gebraucht, öffnet der Stock das Ohr, das auf dem Rücken sitzt. Sollte es sich hingegen um eine Ungerechtigkeit handeln, muß derjenige geschlagen werden, der den Stock gebraucht hat. Und das werde ich selbst ausführen.»
«Dem anmaßendes Gerede schreckt mich nicht.»
«Sieh dich vor, Sary! Ich bin befugt, dich deines Amtes zu entheben. Würdest du nicht einen guten Ziegelmacher abgeben?»
«Niemals würdest du wagen…»
«Ramses hat mir jede erdenkliche Vollmacht erteilt. Bewahre das im Gedächtnis!»
Moses schob Sary beiseite und ging seines Weges, während Sary auf die Fußspuren des Hebräers spuckte.
Diese Rückkehr nach Memphis, über die Dolente sich so gefreut hatte, drohte in die Hölle zu führen. Obwohl Ramses wußte, daß seine ältere Schwester mit ihrem Gemahl angekommen war, nahm er ihre Anwesenheit in der Stadt nicht zur Kenntnis. Das Paar war in ein nicht allzu großes Herrenhaus eingezogen, in dem es auch den Magier Ofir sowie Lita beherbergte und die beiden als Bedienstete ausgab. Trotz Sarys Mißbilligung waren die drei fest entschlossen, in Memphis fortzusetzen, was sie in Theben begonnen hatten. In der wirtschaftlichen Hauptstadt des Landes lebten so viele Menschen fremdländischer Herkunft, daß es hier weniger Mühe bereiten würde, Anhänger für den Aton-Kult
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