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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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zu finden, als in dem der Tradition verhafteten und religiösen Neuerungen abholden Süden. Dolente sah darin ein äußerst günstiges Vorzeichen.
    Sary behielt indes seine Zweifel bei und machte sich vor allem um sein eigenes Schicksal Gedanken. Was würde Moses wohl in der Rede kundtun, die er vor Tausenden aufgeregter Hebräer zu halten gedachte?
    Am Amtssitz des Obersten Gesandten bewachte eine Statue des Gottes Thot in Gestalt eines riesigen Pavians aus Rosengranit den Eingang. Hatte nicht der Herr der Hieroglyphen, den dieses furchteinflößende Tier verkörperte, den Völkern die verschiedenen Sprachen gegeben? Folglich mußten nun die Gesandten deren mehrere beherrschen, zumal es ihnen untersagt war, die geheiligten Zeichen, die die Ägypter in Stein zu meißeln pflegten, außer Landes zu bringen. Weilten Botschafter und Abgesandte in der Ferne, so benutzten sie die Sprache des Landes, in dem sie sich aufhielten.
    Wie alle hohen Beamten, die hier ihren Dienst versahen, trat Acha in die Kapelle neben dem Eingang des Gebäudes ein, legte auf dem Altar des Thot Narzissen nieder und sammelte seine Gedanken. Ehe er sich über die gebündelten, mit vielschichtigen Fragen befaßten Schriftstücke beugte, von denen die Sicherheit des Landes abhing, war es ratsam, die Gunst des göttlichen Schreibers zu erflehen.
    Nach diesem Ritual schritt der elegante und geistreiche Gesandte durch mehrere Säle voll emsiger Beamter und erbat sich, von Chenar in dessen geräumigem Amtszimmer im ersten Stock empfangen zu werden.
    «Acha, endlich! Wo hast du nur gesteckt?»
    «Ich habe die Nacht ein wenig ausschweifend zugebracht und länger als üblich geschlafen. Sollte dir meine geringfügige Verspätung Verdruß bereitet haben?»
    Chenars Gesicht war rot und aufgedunsen. Zweifellos stand Ramses’ älterer Bruder unter einer heftigen Gemütsbewegung.
    «Ist etwas Ernstes vorgefallen?»
    «Hast du davon gehört, daß die hebräischen Ziegelmacher im Norden von Memphis zusammengezogen wurden?»
    «Dem habe ich keinerlei Beachtung geschenkt.»
    «Ich auch nicht. Das war unser beider Fehler!»
    «Was gehen diese Leute uns an?»
    Acha, der Gesandte mit dem schmalen, undurchdringlichen Gesicht und der salbungsvollen Stimme, empfand nur tiefe Abneigung gegen Arbeiter, mit denen er auch keinerlei Umgang pflegte.
    «Ist dir bekannt, wer sie dort hinbestellte und wer fortan den Titel eines Obersten Aufsehers über die Baustätten des Königs führt? Moses!»
    «Was ist daran verwunderlich? Er stand doch bereits einer Baustätte in Karnak vor und ist wohl befördert worden.»
    «Wenn es nur das wäre… Gestern hielt Moses eine Ansprache und tat den Hebräern Ramses’ Absicht kund: den Bau einer neuen Hauptstadt im Delta!»
    Nach dieser Enthüllung trat langes Schweigen ein. Der für gewöhnlich so selbstgewisse Acha war wie vom Donner gerührt.
    «Bist du dir sicher…»
    «Ja, Acha, vollkommen sicher! Moses führt die Befehle meines Bruders aus.»
    «Eine neue Hauptstadt… Das ist unmöglich.»
    «Nicht für Ramses!»
    «Und wenn es bei der bloßen Absicht bleibt?»
    «Er hat selbst den Plan gezeichnet und bereits den Ort ausgewählt. Und welch unglaublicher Ort: Auaris, die verfemte Stadt der Hyksos, dieser fremdländischen Belagerer, deren wir uns nur mit so großer Mühe zu entledigen vermochten!»
    Unversehens erhellte sich Chenars mondförmiges Gesicht.
    «Und wenn… wenn Ramses’ Verstand sich verwirrt hat? Da sein Vorhaben von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, wird man Männer von Vernunft zu Hilfe rufen müssen.»
    «Sei nicht zu hoffnungsvoll! Ramses geht gewaltige Wagnisse ein, gewiß, doch sein Instinkt ist ein zuverlässiger Ratgeber. Er hätte keine bessere Entscheidung treffen können. Indem er diese Hauptstadt so weit im Nordosten des Landes und so nahe der Grenze errichten läßt, spricht er eine klare Warnung an die Hethiter aus. Anstatt sich in sich selbst zurückzuziehen, zeigt Ägypten, daß es die Gefahr erkannt hat und nicht gewillt ist, auch nur einen Zollbreit Boden abzutreten. Der König wird sehr schnell über die Umtriebe seiner Feinde unterrichtet und vermag unverzüglich danach zu handeln.»
    Enttäuscht ließ Chenar sich auf einen Stuhl fallen.
    «Welches Verhängnis! Das macht unsere aufs sorgfältigste durchdachten Pläne zunichte.»
    «Sei nicht allzu verzagt. Zum einen besteht die Möglichkeit, daß sich Ramses’ Wunsch nie erfüllt, und zum anderen wüßte ich nicht, weshalb wir unseren

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