Der Tempel der vier Winde - 8
braune Haar. »Ja, ich weiß.«
»Wir haben beide gehört, was der Junge nach seinem Tod gesagt hat, Richard.«
»Noch ein warnendes Zeichen dafür, daß der Tempel der Winde geschändet wurde.«
Sie schob sich von ihm zurück. Ihre grünen Augen suchten seine.
»Wir müssen jetzt alles noch einmal überdenken, Richard. Was du mir über den Tempel der Winde erzählt hast, stammt aus einer einzigen Quelle, und die ist nicht einmal offiziell. Es handelt sich bloß um ein Tagebuch eines einzelnen, der sich damit die Zeit vertrieben hat, während er die Sliph bewachte. Davon abgesehen hast du es nur in Auszügen gelesen, und es ist auf Hoch-D’Haran, was sich nur schwer genau übersetzen läßt. Vielleicht hast du aus dem Tagebuch eine falsche Vorstellung von diesem Tempel der Winde gewonnen.«
»Na ja, ich weiß nicht, ob ich dir zustimmen würde, daß –«
»Du bist todmüde. Du denkst nicht nach. Jetzt kennen wir die Wahrheit. Der Tempel der Winde versucht überhaupt nicht, eine Warnung zu schicken – er versucht, dich zu töten!«
Richard zögerte, als er die Sorge in ihrem Gesicht sah. Er sah nicht nur den Kummer in ihren Augen, sondern auch die Sorge um ihn.
»Bei Kolo klang das ganz anders. Nach allem, was ich gelesen habe, glaube ich, der rote Mond ist eine Warnung, daß der Tempel der Winde geschändet wurde. Als damals der rote Mond zu sehen war –«
»– schrieb Kolo, alles sei in Aufruhr gewesen. Über den Aufruhr hat er sich nicht näher ausgelassen, stimmt’s? Vielleicht deswegen, weil der Tempel versuchte, sie umzubringen. Kolo schrieb, die Mannschaft, die den Tempel der Winde fortgeschickt hat, habe sie verraten.
Sieh den Tatsachen ins Gesicht, Richard. Dieser Junge hat gerade eine Warnung des Tempels der Winde überbracht: ›Der Wind macht Jagd auf dich.‹ Wenn man Jagd auf etwas macht, dann will man es töten. Der Tempel der Winde macht Jagd auf dich – und versucht dich zu töten.«
»Warum hat er dann nicht mich, sondern den Jungen getötet?«
Darauf wußte sie keine Antwort.
Draußen auf der Gasse beobachtete Drefan aus seinen blauen DarkenRahl-Augen, wie Richard und Kahlan über die Bohlen im Schlamm zurückkamen. Es schien, als gewährten diese Augen einen Einblick in seine Gedanken. Vermutlich mußten Heiler scharfe Menschenbeobachter sein, diese Augen aber gaben Richard ein Gefühl von Nacktheit. Wenigstens konnte er in ihnen keinerlei Magie erkennen.
Nadine und Yonick warteten in stummer Sorge. Richard flüsterte Kahlan zu, sie solle bei Drefan und Yonick warten. Er faßte Nadine am Arm.
»Nadine, würdest du mich einen Augenblick begleiten, bitte?«
Sie sah ihn strahlend an. »Sicher, Richard.«
Er half ihr die Stufen zum Treppenhaus hoch. Während Richard die Tür schloß, war sie damit beschäftigt, nervös ihr Haar zu richten.
Als die Tür geschlossen war, drehte er sich zu der lächelnden Nadine um und stieß sie krachend mit dem Rücken gegen die Wand, so fest, daß ihr die Luft wegblieb.
Sie stieß sich von der Wand ab. »Richard –«
Er packte sie bei der Kehle, stieß sie noch einmal gegen die Wand und hielt sie dort fest.
»Du und ich, wir wollten niemals heiraten.« Die Magie des Schwertes, sein Zorn, übertrug sich auf seine Stimme. Sie strömte durch seine Adern. »Wir wollten niemals heiraten. Ich liebe Kahlan. Ich werde Kahlan heiraten. Es gibt nur einen einzigen Grund, daß du noch hier bist: Irgendwie bist du in diese Geschichte verwickelt. Du wirst erst einmal bleiben, bis wir uns Klarheit verschaffen.
Ich kann dir verzeihen, was du mir angetan hast, und habe es bereits getan, aber solltest du noch einmal voller Absicht etwas so Grausames und Verletzendes zu Kahlan sagen, wirst du den Rest deines Lebens unten in der Grube verbringen. Hast du mich verstanden?«
Nadine legte zärtlich ihre Finger auf seinen Unterarm. Sie lächelte geduldig, so als wäre sie überzeugt, er sei unfähig, die Situation ganz zu erfassen, und sie würde ihm gleich ihre vernünftige Sichtweise nahebringen.
»Ich weiß, du bist jetzt aufgebracht, Richard, das sind wir alle, aber ich wollte dich nur warnen. Ich wollte nicht, daß du nicht über den Vorfall unterrichtet bist. Du solltest die Wahrheit wissen über das, was sie –«
Er stieß sie abermals krachend gegen die Wand. Er versuchte, sich zu zügeln, um ihr verständlich machen zu können, daß er mehr als verärgert war und daß er meinte, was er sagte.
»Ich weiß, du hast auch Gutes in dir, Nadine. Ich
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