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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Stammeshäuptlinge, die ihre Macht dazu
mißbrauchten, ihre Leidenschaften auf Kosten ihres Landes und ihres Volkes zu
befriedigen.
    Salomo war es
nicht gewohnt, den Aufforderungen niedrig Gestellter Folge zu leisten, auch
wenn es sich dabei um einen berühmten Baumeister handelte. Zwei Tage lang hatte
er Hirams Vergangenheit ausforschen lassen. Elihap, sein Schreiber, hatte ihm
mitgeteilt, daß der Oberbaumeister Sohn einer Witwe aus dem Stamm Dan und eines
Tyrers sei. Er galt als scheu und als Einzelgänger, blieb gegen Ehrungen und
Schmeicheleien gleichgültig, konnte die größten technischen Schwierigkeiten
bewältigen und galt als Meister aller Materialien, auch der widerspenstigsten.
Hiram ließ sich nicht wählen. Er wählte selbst.
    «Welches ist
deine Wissenschaft, Meister Hiram?»
    «Die Kunst
des Bauzeichnens.»
    «Und wozu
dient sie dir?»
    «Damit kann
ich Steine behauen, zusammenfügen und hochheben, daß sie sofort an den
richtigen Platz kommen und das Gebäude der Zeit widersteht.»
    Die Kunst des
Bauzeichnens: Wer hatte nicht von dieser geheimnisvollen Kunst gehört, die
durch die Jahrhunderte weitergereicht worden war und ohne die man kein großes
Bauwerk errichten konnte? Die hebräischen Handwerker hatten keine Ahnung vom
Bauzeichnen.
    «Bist du damit einverstanden,
mich in diese Kunst einzuführen?»
    «Nein,
Gebieter. Entweder stellst du mich ein und gibst mir alle Vollmacht auf meiner
Baustelle, oder ich breche nach Hause auf.»
    «Das ist
nicht die Sprache eines Diplomaten, Meister Hiram.»
    «Ich bin
keiner und habe auch nicht die Absicht, einer zu werden.»
    «Sind
Zugeständnisse nicht der Anfang der Weisheit?»
    «Das sehe ich
ganz anders, König von Israel. Ist Weisheit nicht von den Göttern geschaffen,
gibt es sie nicht schon Ewigkeiten vor der Geburt der Erde? Ist sie nicht die
Quelle alles menschlichen Wissens?»
    Ein rauhes
Gebrüll störte ihre Unterhaltung.
    Sprungbereit
duckte sich ein Leopard auf einer an die zwanzig Ellen hohen Felswand über den
beiden Männern und wollte sich die leichte Beute schnappen. Er war groß,
schwer, ein prächtiges Raubtier und unendlich flink, wenn er behende wie der
Steinbock von Fels zu Fels sprang.
    Seine
schwarz-gelben Augen musterten seine zukünftigen Opfer.
    «Einer von
uns überlebt es nicht», meinte Salomo, ohne daß seine Stimme zitterte. «Weißt
du, wie man das Leben eines Königs verteidigt?»
    «Zunächst
einmal verteidige ich meins», erwiderte Hiram. «Ich bin nicht dein Diener.»
    «Von diesem Augenblick an
bist du es. Ich stellte dich als Oberbaumeister ein und vertraue dir den Bau
eines großen Tempels in Jerusalem an. Dein Leben gegen meines, so lautet deine
augenblickliche Aufgabe, falls es die Umstände erfordern.»
    Sehr langsam
stellte sich Hiram vor Salomo. Der Leopard richtete sich auf und brüllte erneut
mit gefletschten Zähnen.
    Israels König
drehte den Ring, den ihm Bathseba gegeben hatte, dann fuhr er mit dem
Zeigefinger über die Buchstaben, aus denen sich der Name Jahwe zusammensetzte.
    Der Leopard
erschrak und stieß ein Schmerzensgebrüll aus. Mit der rechten Pfote versuchte
er einen unsichtbaren Gegner zu verscheuchen, der ihn in die Flanke stach.
Gereizt sprang er auf eine Geröllhalde, verlor das Gleichgewicht und verschwand
in dem Dornengestrüpp.
    «Gott wacht
über uns», sagte Salomo.
    «Du wirst
deinem Ruf gerecht», meinte der Baumeister.
    «Dich hat
nämlich Gott auf den Grund dieser Schlucht geführt. Er hat mir befohlen, dich
zu wählen. Du gehörst dir nicht mehr, Meister Hiram.»

 
    Kapitel 19
     
     
     
    Hiram
stieg in den Streitwagen, den Salomo fuhr
und den ein Dutzend Männer unter dem Befehl von Banajas begleiteten. Dieser
hatte den König vergeblich angefleht, sich nicht in die Tiefen des Ghor zu
wagen.
    Als er den
König zusammen mit einem Fremdling herauskommen sah, durchzuckte ihn ein
gotteslästerlicher Gedanke. War Salomo etwa ein Engel, der die Geschicke
lenkte? Hatte er etwa ein Gespenst aus der Schlangengrube geholt, einen Dämon
mit mannigfaltigen Kräften, dessen er sich zur Vergrößerung seiner Macht
bedienen wollte?
    Bei Hirams
Anblick überkam Banajas ein ungutes Gefühl. Der Mann, den Salomo in einer
Gegend abholte, die den Gläubigen verboten war, besaß eine gefährliche Kraft,
die der eines Raubtieres gleichkam. Der General hatte Angst. Aber wie hätte er
dem König das eingestehen können? Er, Israels Held, der Krieger, der mit bloßen
Händen einen Löwen töten konnte,

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