Der Tempel zu Jerusalem
Türriegel», sagte er zu Banajas.
«Einen
Türriegel? Aber warum…»
«Diese Unterkunft ist
zugleich meine Werkstatt. Hier bewahre ich meine Pläne und Zeichnungen auf,
daher muß sie sicher verschlossen sein und Tag und Nacht bewacht werden.»
«Diese Forderungen…»
«Diese
Forderungen müssen unverzüglich erfüllt werden. Falls nicht, verlasse ich
Jerusalem.»
Banajas zog
das Schwert aus der Scheide.
Bei Hirams
ruhigem Blick stockte ihm das Blut in den Adern. Der Blick des Fremdlings
strahlte einen Zauber aus, einen Zauber, der eine Waffe zum Töten nicht
erforderlich machte.
«Hüte dich,
Fremdling. Unverschämte Menschen machen sich in Israel unbeliebt.»
«Und ich
verabscheue Neugierige und Lügner. Niemand, nicht einmal du, darf über die
Schwelle dieser Wohnung treten.»
Darauf schlug Hiram die Tür
zu und versperrte sie von innen. Es war ihm einerlei, daß er sich damit diesen
hirnlosen Schwertschwenker zum Feind machte. Durch diese Einstellung zwang der
Oberbaumeister Salomo, ihm völlig zu vertrauen oder ihn des Landes zu
verweisen.
Hiram
richtete sich in seinem Arbeitszimmer ein. Es gefiel ihm, denn es ähnelte den
Priesterzellen, die auf den heiligen See von Karnak gingen. Die hier gelagerten
Papyri hatten zwar nicht den schönen Goldton der ägyptischen, doch ihre
Struktur schien richtig zu sein. Die auf einem niedrigen Tisch aufgereihten
Schreibbinsen mußten noch angespitzt werden, wenn er damit vollendete Striche
ziehen wollte.
In der Küche
lärmte jemand, und Hiram merkte auf.
Er stieß dort
auf ein junges Mädchen von ungefähr fünfzehn Lenzen, das so erschrocken blickte
wie ein Reh aus Samaria.
«Wie bist du
hereingekommen?»
Sie duckte
sich und zeigte auf eine kleine, niedrige Tür, durch die ein sehr zierliches
Geschöpf Einlaß finden konnte. Die erste Arbeit des Oberbaumeisters würde darin
bestehen, alle Eingänge mit Ausnahme des Eingangs zur Gasse zu verriegeln.
«Was hast du
hier gemacht?»
«Dir gedient,
mein Gebieter. Ich bin deine Nachbarin, und ich soll Öl nachgießen und die
Lampenflamme bewachen. Falls sie mir ausgeht, sterbe ich im Wochenbett. Ich
soll Brot für dich machen, Teig kneten und ihn im Ofen backen, ich soll…»
Es klopfte an
der Tür, und das immer lauter.
Hiram machte auf.
Es war Kaleb,
der Hinkefuß, der seinen eisenbeschlagenen Stecken schwenkte.
«Habe ich es
doch geahnt», rief er, «habe ich es doch gewußt! Raus mit dieser Teufelin!»
Rasch und
heftig ergriff Kaleb das junge Mädchen am Arm und schob es nach draußen.
«Laß mich
machen, mein Fürst! Ich bin gekommen, weil ich dir helfen will. Jerusalem ist
eine Stadt voller Gefahren. Und die schlimmste sind die Frauen! Ihre Bosheit
ist ärger als Verwundungen in der Schlacht, und es gibt keine Giftschlange, die
furchterregender wäre. Lieber mit einem Löwen und einem Drachen zusammenleben
als mit einer Frau, lieber einen Skorpion in die Hand nehmen als so einen
verfluchten Körper! Dieses Mädchen wäre dein Untergang gewesen. Du hast mir das
Leben gerettet, ich rette deines!»
«Vielen Dank,
Kaleb, aber wer wird für mich sorgen?»
«Ich, mein
Fürst! Keiner kann besser den Besen schwingen als ich. Niemand backt ein
besseres Brot. Ich knete Teig im Backtrog und backe ihn über Glut. Ich mache
einen Fladen, den man brechen kann, den man nicht schneiden muß. Das hätte dich
keine Frau gelehrt. Hätte sie dir erzählt, daß man rohes Fleisch auf Brot legen
muß, aber niemals auf Stein? Hätte sie dir gezeigt, daß man keine Krumen aufsammelt,
die kleiner als eine Olive sind? Frauen sind falsch, ich jedoch bin ein
ehrlicher Mensch. Ich werde dir die Straßen von Jerusalem zeigen. Ich habe hier
nämlich viele Freunde.»
«Ich hätte
mich gern rasiert und gewaschen», sagte Hiram.
Kaleb
lächelte von einem Ohr zum anderen.
«Das geht nicht ohne mich!
Trotz Salomos Bewässerungssystem ist Wasser noch immer knapp. Nur der König und
die Reichen haben es in ihren Häusern. Ich hole dir in großen Krügen Wasser aus
dem Brunnen, sooft du etwas haben willst. Und die restliche Arbeit übernehme
ich auch.»
Kaleb besorgte seinem Herrn einen Bottich, in den er
lauwarmes Wasser, einen Bimsstein, Natron und Seife auf Natronbasis tat. Er
brachte ihm auch einen Schwamm, eine Bürste, Rosmarin, damit das Wasser
duftete, und Anis zum Zähneputzen. Er umsorgte ihn, als wäre er von Adel.
Der treue
Diener rasierte Hiram sorgfältig. Seine Klinge machte auch nicht den kleinsten
Kratzer.
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