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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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würde er den Boden,
der ihm so unerwartet ein Vermögen eingebracht hatte, nicht mehr als Besitzer
betreten.
    Der Bauer
entfernte sich. Es war kein Wort gesprochen worden. Hiram hatte das Land für
die Gießereien des Tempels erworben.

 
    Kapitel 30
     
     
     
    An der
Stelle, wo Jakob mit dem Engel gekämpft
hatte, handhabten Arbeiter Metallformen und bedienten riesige Blasebälge, mit
denen sie das Feuer in den Öfen schürten. Jede Woche wurden große Mengen Holz
angeliefert.
    Die ersten
Bronzegüsse, die aus den Händen der von Hiram angelernten Bildhauer kamen,
waren zwei Löwen. Hiram half in allen Stadien bei der Erschaffung dieser Tiere
mit, die am Eingang des Tempels stehen sollten.
    Der
Oberbaumeister schaffte es, häufig zwischen den Gießereien am Jordanufer und
den Steinbrüchen unweit Jerusalems hin- und herzureisen. Die Schichten, die
geschlagen werden sollten, waren mit dem Zeichen der ägyptischen Steinhauer
gekennzeichnet, das einem Henkelkreuz glich. Hiram hatte den Lehrlingen
gezeigt, wie man die Blöcke herausholte: Man schlug um sie herum Rinnen, die
breit und tief genug waren, daß man in regelmäßigen Abständen Holzkeile einschlagen
konnte. Wichtig war vor allem die Auswahl der Schicht, denn davon hing die
Festigkeit des Baus ab. So holten sie Schicht um Schicht den Stein heraus und
bekamen Blöcke, ohne daß diese splitterten.
    Als sie die
ersten Kupfer- und Kalksteinsäulen errichteten, wußte Hiram, daß sich seine
Schüler die Grundkenntnisse der Baukunst angeeignet hatten. Daher rief er die
Besten unter ihnen in der Zeichenwerkstatt zusammen, wo er sie das lehrte, was
Gesellen wissen mußten, wenn sie Mauern hochziehen und die richtig behauenen
Steine harmonisch einfügen wollten. Die Schiller in ihren weißen Lederschürzen,
die nach jedem Arbeitstag sorgsam gesäubert wurden, schworen einen Eid, nichts
von ihrer Wissenschaft an Lehrlinge oder Unbefugte weiterzugeben. Wenn sie die uralte
Weisheit kannten, nämlich wie man aus einem Plan ein Gebäude machte, würden sie
allmählich die Materie beherrschen, in deren Herzen sich der Geist verbarg. Im
Prüfungssaal, der ständig im Halbdunkel lag, zeichnete Hiram zwei Vierecke und
verband zwei Ecken mittels einer Diagonale. So machte er den Raum deutlich, in
den sich die göttliche Proportion einschrieb, diese heilige Zahl, die aus dem
Gold hervorging, das die ägyptischen Baumeister als den größten aller Schätze
betrachteten. Vor den erstaunten Augen der neuen Gesellen führte Hiram in die
Welt der Würfel, Polyeder, Spiralen, des Sterns der Weisen mit den flammenden
Spitzen ein, der dem Reisenden, der sich im Dunkel verirrt hatte, den Weg wies.
Er zeigte ihnen, wie man die Quadratur des Kreises löste, wie man ohne
Berechnung das Gesetz der Proportionen erkannte, wie man die Schnur mit den
dreizehn Knoten handhabte, und gab ihm eine Form, die sowohl Zeichendreieck als
auch Kompaß war. Er übermittelte ihnen das Wissen von ewigen Lebensformen, die im
Universum geschrieben standen und die sie in den Tempel einbauen mußten, damit
er harmonisch wachsen konnte.
     
     
    Am Ende von fünf Tagen und fünf
Nächten des Lernens besaßen die Gesellen ein Wissen, das ihr Begriffsvermögen
überstieg, aber sie waren Meister Hiram so dankbar, daß ihnen die Worte
fehlten. Die Bruderschaft, die sie mit ihm verband, strahlte wie die
Sommersonne.
    Der
Baumeister kam Schritt für Schritt auf seinem Weg weiter. Die Baustelle zu
organisieren, die Menschen anzulernen, die Geburt des Gebäudes vorzubereiten,
all das waren Zwischenstufen des Plans, den er unter allen Umständen selbst in
der Hand behalten mußte. Hoffentlich hatte er sich nicht in den Gesellen
getäuscht, denen er vertraute. Doch wer konnte sich rühmen, das menschliche
Herz so gut zu kennen wie das steinerne?
     
     
    Die zu Frondiensten gerufenen
Hilfsarbeiter erhielten ihren Lohn am Ende einer Arbeitswoche. Anders war es
bei den Gesellen und den Lehrlingen, die beim Neumondfest innerhalb des
Bauzauns vor der Tür der Zeichenwerkstatt ein Gehalt bekamen. Die Lehrlinge
bildeten eine erste, schweigsame Schlange, die Gesellen eine zweite. Einer nach
dem anderen traten sie vor Hiram und flüsterten ihm das Erkennungswort ins Ohr,
das ihrem Grad entsprach. Das Kennwort änderte der Oberbaumeister mehrere Male
im Monat, damit niemand auf Betrug sann. Er zahlte sie in Gold- und
Silberstücken aus, und die holte er aus Schatullen, die von Salomos Leibwache
auf die Baustelle gebracht

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