Der Tempel
Gewehrfeuer als auch das Kreischen abrupt abbrachen und durch ein Schweigen ersetzt wurden.
Ein langes Schweigen.
Race starrte auf den Bildschirm, auf den offenen Eingang des Tempels.
»Von Dirksen, Friedrich, Nielson! Bericht!«
Von den Männern kam keine Antwort.
Race wechselte rasch einen Blick mit Lauren.
Da ertönte plötzlich eine neue Stimme.
Sie klang atemlos, gehetzt und voller Furcht.
»Nielson hier! Wiederhole, Nielson hier! O mein Gott … Gott möge uns helfen. Fliehen Sie! Fliehen Sie, solange es noch …«
Klatsch!
Ein Geräusch, als wäre etwas Großes auf Nielson geprallt.
Ein Scharren folgte und dann vernahm Race ein jähes Gekreisch, bei dem ihm das Blut in den Adern gefror, und schließlich über das schrille Geschrei hinweg einen weiteren, unendlich furchtbaren Laut.
Es war ein Gebrüll – ein teuflisches Gebrüll –, laut und tief wie bei einem Löwen.
Nur voller, resonanzhafter, wilder.
Race’ Blick flackerte zum Fernsehbildschirm zurück und plötzlich erstarrte er.
Da war es!
Es trat aus der schattenhaften Finsternis des Portals hervor.
Während er das riesige schwarze Untier aus dem Eingang des Tempels kommen sah, verspürte er ein Übelkeit erregendes Gefühl tief in der Magengrube.
Denn er begriff in diesem Moment, dass die Männer auf dem Felsenturm trotz aller Technologie, Waffen und ihres selbstsüchtigen Verlangens, eine neue und fantastische Energiequelle zu finden, gerade ein weitaus einfacheres Gesetz der menschlichen Evolution verletzt hatten.
Manche Türen sollten stets verschlossen bleiben.
***
Günther Kolb und das Dutzend Soldaten auf der Turmspitze starrten das Tier im Portal lediglich ehrfürchtig an.
Es war prachtvoll, hatte eine Schulterhöhe von anderthalb Metern und war vollkommen schwarz – pechschwarz von Kopf bis Fuß.
Es sah aus wie eine Art Jaguar.
Ein riesiger schwarzer Jaguar.
Die Augen der gewaltigen Katze glitzerten gelb im Mondschein und mit den wütend gesträubten Brauen, den geballten Muskeln der Schultern und den dolchähnlichen Zähnen wirkte es wahrhaftig wie die Inkarnation des Teufels.
Da wurde das sanfte blaue Mondlicht, das das Portal des Tempels erhellte, plötzlich durch einen grellen weißen Blitz ersetzt und in dem darauf folgenden, ohrenbetäubenden Donnerschlag brüllte das riesige Tier auf.
Es hätte ein Signal sein können.
Weil genau in diesem Augenblick über ein Dutzend weiterer gewaltiger schwarzer Katzen aus der Finsternis des Tempels hervorstürmten und die Deutschen auf der Felsenturmspitze angriffen.
Obgleich sie mit Sturmgewehren und automatischen Maschinenpistolen bewaffnet waren, hatten die Mitglieder der deutschen Expedition nicht den Hauch einer Chance. Die Katzen waren zu rasch. Zu flink. Zu überwältigend. Sie stürmten mit schockierender Wildheit auf die wie betäubt dastehenden Soldaten und Wissenschaftler zu, sprangen sie an, brachten sie zu Fall, zerfleischten sie bei lebendigem Leib.
Einigen wenigen Soldaten gelang es, Schüsse abzufeuern, und eine der Katzen ging zuckend zu Boden.
Aber das spielte keine Rolle. Die anderen Tiere beachteten die durch die Luft pfeifenden Kugeln anscheinend kaum und innerhalb von Sekunden waren sie auch über die schießenden Soldaten hergefallen – rissen ihnen das Fleisch vom Körper, bissen ihnen die Kehle durch, erstickten sie mit ihren mächtigen, schraubstockartigen Klauen.
Grässliche Schreie erfüllten die nächtliche Luft.
General Günther Kolb rannte.
Nasse Farnwedel schlugen ihm hart ins Gesicht, während er die Steintreppe hinabstürmte, die zu der Hängebrücke zurückführte.
Wenn er es bis dorthin schaffte, dachte er, und sie von den Stützpfeilern auf der anderen Seite löste, säßen die Katzen auf dem Felsenturm in der Falle.
Kolb jagte die feuchten Steinplatten hinunter, wobei ihm das Geräusch des eigenen Atems laut in den Ohren tönte. Etwas, das hinter ihm durch das Blattwerk stürmte, war sogar noch lauter. Weitere Farnwedel schlugen ihm ins Gesicht, aber das war ihm gleichgültig. Fast war er …
Da!
Er sah sie.
Die Hängebrücke!
Einige wenige seiner Männer rannten darüber und entkamen so dem Gemetzel auf der Felsenturmspitze.
Kolb flog die letzten paar Stufen hinab und lief auf den Sims hinaus.
Er hatte es geschafft!
Genau in diesem Moment traf ihn etwas entsetzlich Schweres in den Rücken und der deutsche General fiel nach vorn aufs Gesicht.
Er landete hart auf dem kalten, nassen Sims. Verzweifelt krallte er mit
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