Der Tempelmord
schlummerte nur in ihm, der ihn immer wieder in solche Schwierigkeiten brachte? War er denn von einem bösen Geist besessen, der ihn vernichten wollte?
Abimilku nickte. »Gut, du hast es so gewollt. Du wirst als dritter hinuntergehen. Tauche hier beim Boot hinab und schwimm dann zu den Klippen hinüber. In der Tiefe spürst du die Meeresdünung kaum noch. Sie kann dir unten am Fuß der Klippen nicht gefährlich werden. Ich werde als zweiter tauchen. Du folgst mir, Grieche.«
Der Phönizier ließ seinen Gürtel zu Boden gleiten und streifte seine Tunica über den Kopf. Philippos schluckte. Abimilku hatte einen Körper wie jene Athleten, nach denen die Bildhauer ihre Statuen fertigten. Einer der Männer reichte ihm ein neues Messer, das er an seinem Handgelenk befestigte. Dann begann der Kapitän, systematisch seine Lungen zu füllen und wieder zu leeren. Er atmete so tief ein, wie er nur konnte, und machte dabei pfeifende Geräusche wie ein Blasebalg neben der Esse eines Schmiedes. Philippos konnte beobachten, wie erstaunlich weit sich die Rippen des Phöniziers bei jedem seiner Atemzüge dehnten. Einer der anderen Purpurtaucher nahm einen der großen Steine auf, die im Boot lagen, und gab ihn Abimilku, der ihn mit beiden Händen gegen seine nackte Brust drückte. Dann ließ der Kapitän sich so plötzlich über die niedrige Bordwand fallen, daß das kleine Segelboot heftig ins Schlingern geriet.
Mit einem mulmigen Gefühl blickte Philippos ihm nach, wie er in den blauen Fluten versank. Jemand tippte ihm auf die Schultern. Ein bärtiger Mann mit einer breiten Narbe über der rechten Augenbraue grinste ihn an. »Du bist dran, Grieche.«
Mit steifen Fingern tastete der Arzt nach seiner Gürtelschnalle und löste sie. Dann knüpfte er die Riemen seiner Sandalen auf und streifte sich die Tunica über den Kopf. Zweifelnd blickte er an sich herab. Er war nicht gerade schwächlich gebaut.
Die Jahre in der Legion hatten seinen Körper gestählt, doch im Vergleich zu den jungen Tauchern war er ein Nichts. Ein alter Narr, der auf dem Weg war, sich lächerlich zu machen oder - schlimmer noch - sich umzubringen.
Prustend und schnaufend tauchte Abimilku neben dem Boot auf. Seine Gefährten zogen ihn über die niedrige Bordwand und begannen, ihn mit groben Wolltüchern abzureiben. Im Netz, das am linken Handgelenk des Tauchers hing, waren drei große gelbbraune Muscheln.
Der Kapitän schüttelte seine langen, nassen Haare. »Es ist schwierig, dort unten noch brauchbare Muscheln zu finden. Wir waren schon zu oft hier. Viel Glück, Grieche.« Philippos schluckte. Alle Augen waren nun auf ihn gerichtet. Einer der Männer trat herüber und legte vor ihm einen Felsklotz hin.
»Willst nicht doch lieber aufgeben, alter Mann?«
Der Arzt band sich die Lederriemen des Messers am Handgelenk fest. »Ich werde vielleicht keine drei Muscheln finden, aber ich werde nicht mit leeren Händen zurückkehren.« Er griff nach dem Netz und begann, rhythmisch ein- und auszuatmen. Ihm war ein wenig schwindelig, als er nach dem Felsblock vor seinen Füßen griff und sich aufrichtete. Entschlossen setzte er den rechten Fuß auf die Reling und blickte auf das Meer. Jetzt gab es kein Zurück mehr! Ein letztes Mal pumpte er seine Lungen voll Luft, dann ließ er sich fallen. Kalt umfingen ihn die Arme der See. Der Stein riß ihn in die Tiefe hinab. Ein dumpfes Pochen hallte in seinen Ohren. Der Arzt blickte nach oben und versuchte, abzuschätzen, wie tief er schon gesunken war. Wie ein riesiger Fisch hing der Rumpf des Bootes über ihm im Wasser. Gleich goldenen Speeren stach das Sonnenlicht durch die Fluten. Philippos ließ den Stein los. Das Riff lag rechts von ihm. Mit einigen kräftigen Stößen gelangte er zu dem dunklen Felsen, der mit allerlei wunderlichen Meerespflanzen bedeckt war. Seltsame Blumen mit fadenförmigen Blättern, die in den Blütenkelchen verschwanden, wenn man sich ihnen näherte. Daneben klammerten sich kleine rote oder weiße Büsche mit feinen Ästen an das Riff. Silberne Fische tanzten mit der Strömung durch diesen Garten Poseidons, ohne auf den Eindringling zu achten.
Philippos spürte, wie der Druck in seiner Brust größer wurde.
Nervös sah er nach oben. Er war nicht sehr tief. Es blieb ihm noch etwas Zeit. Sein Blick glitt suchend über das Dickicht aus Farben. Er entdeckte eine kleine Kolonie von grauschwarzen, unregelmäßig geformten Muscheln. Einen Moment lang überlegte er, ob er nicht einige von ihnen nehmen
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