Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
eiskalten Keller in Kensington neben einem Menschen auf dem kalten Boden kniete, der förmlich hingerichtet worden war.
Das war der Augenblick, in dem alles begann.
Gonsalves hielt nach irgendetwas Ausschau, an dem er seine Wut auslassen konnte. Dann begriff er, dass er sich an einem Tatort befand, vermutlich dem Tatort eines Mordes. Er rannte im Laufschritt die Treppe hinauf und auf die Straße.
Jessica hörte sein Fluchen bis in den Keller.
Wahrscheinlich konnte man es in ganz Kensington hören.
*
Vierzig Minuten später traf Tom Weyrich ein, der Rechtsmediziner, und erklärte den Mann offiziell für tot. Während Jessica und Byrne nun gründlich das Kellergeschoss durchsuchten, machten die Kriminaltechniker Fotos und Videoaufnahmen. Sie hatten von einem Generator im Erdgeschoss ein Kabel in den Keller gelegt und Scheinwerfer aufgestellt. Schon im Licht der Taschenlampen hatte der Kellerraum grässlich ausgesehen, doch als die grellen Halogenscheinwerfer ihn erhellten, sah alles noch schlimmer, noch erschreckender aus.
Der Kellerraum war vielleicht achtzig Quadratmeter groß und entsprach im Grundriss dem Raum im Erdgeschoss. Drei Pfeiler stützten den Tragbalken. An der Decke hingen verrostete Rohrschellen, die einst die Kupferwasserrohre gehalten hatten. Sie waren längst abmontiert worden, um sie zu Geld zu machen. Alles, was einen Wert besaß, war gestohlen worden: Heizkessel, Warmwasserboiler, Lüftungsrohre, sogar die mit Aluminium beschichtete Isolation, mit der Rohre umwickelt und Zwischenräume ausgefüllt gewesen waren.
In einer Ecke befand sich eine mit Holz verkleidete Waschecke, die zahlreiche Wasserschäden aufwies. Der Wasserhahn und das Waschbecken fehlten, doch die Halterung war noch mit Dübeln an der Betonwand und im Boden befestigt. Jessica konnte an dem zersplitterten Holz erkennen, dass jemand mit aller Kraft versucht hatte, sie herauszubrechen, jedoch ohne Erfolg.
Sie streifte neue Latexhandschuhe über und öffnete vorsichtig eine der Türen unter dem Waschbecken.
Der Schrank war leer.
*
Mithilfe von Mineralwasser und hundert Papiertüchern gelang es Jessica, das Blut des Opfers von ihren Armen und Händen abzuwischen. Sie hatte sich hinten im Feuerwehrwagen gewaschen und desinfiziert, so gut es möglich war. Anschließend zog sie einen frischen Pullover und eine saubere Jacke an, die stets griffbereit in einer Sporttasche im Kofferraum des Dienstwagens lagen. Jetzt fühlte sie sich ein bisschen besser.
Sie entdeckte Gonsalves, der auf der anderen Straßenseite an einer niedrigen Mauer lehnte und eine Zigarette rauchte. Als sie zum ihm ging, fiel ihr auf, dass er eine Kette mit einem Kreuz um den Hals trug, was sie vorher gar nicht bemerkt hatte. Seine Hände zitterten.
»Es tut mir leid«, sagte Jessica und begriff sofort, wie unpassend sich der Satz in dieser Situation anhören musste. Trotzdem nickte Gonsalves dankbar.
»Wie heißen Sie mit Vornamen?«, wollte Jessica wissen.
Gonsalves hob den Blick. Seine Augen waren feucht und gerötet, was ihn älter aussehen ließ, als er war. »Ernesto«, sagte er. »Ernie.«
»Sie haben getan, was Sie konnten, Ernie.«
Gonsalves schüttelte den Kopf. »Nicht genug.«
Ein paar Minuten vergingen, ohne dass einer von beiden ein Wort sagte. Jessica wusste, dass Gonsalves viel mehr verletzte, schrecklich zugerichtete Menschen gesehen hatte als sie selbst. Er würde sich davon erholen. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie ihn jetzt nicht alleine lassen.
Schließlich sagte Gonsalves in die Stille hinein: »Er hat etwas gesagt.«
Jessica schaute ihn an. »Das Opfer?«
»Ja. Kurz bevor er gestorben ist, hat er etwas zu mir gesagt.«
Jessica fragte sich, warum Gonsalves so lange gewartet hatte, es ihr mitzuteilen. Doch sie drängte ihn nicht und wartete, bis er sich gefasst hatte.
»Ich habe schon eine Menge gesehen«, begann er, »und ich habe öfter die letzten Worte eines Menschen gehört. Einmal hat ein Mann zu mir gesagt, ich soll seine Festplatten zu Hause auf seinem Computer löschen. Er gab mir die Schlüssel zu seinem Haus und alles, was ich brauchte. Seine Schlüssel , verstehen Sie? Er sagte, er käme in die Hölle, wenn ich es nicht tue. Zwei Kugeln im Bauch, und er macht sich Sorgen um seine verdammten Festplatten. Können Sie sich das vorstellen?«
Jessica hörte ihm aufmerksam zu.
»Und dann dieser andere Typ, oben in Chestnut Hill. Ein großer, kräftiger Bursche. Fast eins neunzig, hundertzwanzig Kilo. Gut gekleidet.
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