Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Maßgeschneiderter Anzug von Valentino. Manchmal schaue ich mir die Etiketten an, wissen Sie.« Gonsalves warf ihr einen verlegenen Blick zu. Jessica lächelte.
»Der Mann gestand mir, dass er bei der Bank, bei der er arbeitete, ein Vermögen unterschlagen hatte. Er sagte mir, wo das Geld lag, und bat mich, es einer gemeinnützigen Organisation zu spenden.« Gonsalves schüttelte den Kopf. »Bargeld. Dieser wildfremde Bursche vertraute mir jede Menge Bargeld an! Er kannte mich gar nicht, hatte mich nie zuvor gesehen.« Gonsalves klopfte die Asche von der Zigarette. »Sie bringen einem bei, wie man eine Trage die Treppe raufträgt, wie man einen Luftröhrenschnitt macht, wie man einen Defibrillator benutzt. Aber was man mit den Geständnissen der Sterbenden anfangen soll, die man im Kopf hat, sagen die einem nicht. Manche schauen mich an, als wäre ich ein Priester, verstehen Sie? Verdammt. Ich meine, wer kann sich schon vorstellen, wie man die Welt in den letzten Sekunden seines Lebens wahrnimmt. Vielleicht sieht dann jeder wie ein Priester aus.« Gonsalves zog an seiner Zigarette. »Aber dieser Typ …«
Jessica wartete ein paar Sekunden. Da sie Angst hatte, dass Gonsalves’ Gedanken wieder abschweiften, hakte sie nach: »Was hat er gesagt?«
Gonsalves warf die Zigarette in den Rinnstein, griff an die Kette an seinem Hals und strich behutsam über das Kreuz. Jessica, die seit ihrem dreizehnten Geburtstag ein ähnliches Kreuz aus 585er-Gold trug – ein Geschenk ihres Vaters –, tat das auch oft. Mitunter half es ihr, wenn sie jemandem etwas mitteilen musste, was ihr schwerfiel.
»Zwei Wort, Detective. Zwei Worte.« Gonsalves wischte sich über die Augen. »Er hat nicht gesagt: ›Sagen Sie meiner Frau, dass ich sie liebe‹, oder ›Geben Sie meinen Babys einen Kuss von ihrem Daddy‹. Nichts dergleichen. Er hat all die Jahre gelebt, und am Ende scheinen nur noch zwei Worte von Bedeutung zu sein.«
»Welche Worte waren das?«
Gonsalves schaute Jessica an. In seinen Augen spiegelte sich der Kummer über alle die Toten in der Stadt, als er sagte:
»Er lebt.«
6.
Gegen Mittag trafen zwei weitere Detectives am Tatort ein. Sie sollten Jessica und Byrne unterstützen, die Vernehmungen in der Nachbarschaft zu führen.
Im letzten Jahr waren mehrere Detectives aus der Mordkommission in den Ruhestand getreten; einige waren in andere Abteilungen gewechselt. Insgesamt arbeiteten acht neue Detectives in der Mordkommission, darunter zwei Frauen. Jessica war aus verschiedenen Gründen dankbar dafür. Obwohl sie ihren Job und ihren Partner liebte, war die Anwesenheit zweier weiterer Frauen im Büro eine Art Gegengewicht zu dem hohen Testosteronspiegel im Dezernat. Ein weiterer Vorteil bestand darin, dass viele Detectives stärker darauf achteten, was sie sagten. Wenn sich nur eine Frau im Büro aufhielt, fiel es leicht, sexistische Witze oder abfällige Bemerkungen zu machen. Mit drei Frauen jedoch war es einfach, solche Typen in ihre Schranken zu verweisen. Nahm man noch hinzu, dass Jessicas Vorgesetzte ebenfalls eine Frau war, herrschte eine geradezu angenehme Atmosphäre im Büro.
Wie lange würde es noch dauern, bis sie Spitzengardinen vor die Fenster hängten?
Das zweite Team bestand aus den Detectives Joshua Bontrager, der aus einer amischen Familie im ländlichen Berks County stammte, und Maria Caruso, die Ende zwanzig war und noch ziemlich jung, um als Detective in der Mordkommission zu arbeiten, aber viel älter war Jessica auch nicht gewesen, als sie ins Dezernat gekommen war. Die attraktive Frau mit den dunkelbraunen Augen und dem makellosen gebräunten Teint war eine gute Polizistin. Vor ein paar Jahren hatte sie schon einmal mit Jessica und deren Partner Byrne zusammengearbeitet. Damals waren sie auf der Jagd nach einem Verrückten gewesen, dessen Mordserie in Philadelphia in einem entsetzlichen Feuerinferno geendet hatte.
Als Joshua Bontrager die Amber Street überquerte, beobachtete Jessica ihn. Sein schneller Aufstieg beim Philadelphia Police Department war erstaunlich. Sie hatte ihn zum ersten Mal gesehen, als er von der Verkehrspolizei ins Morddezernat gewechselt war, um sie bei einer Mordermittlung zu unterstützen. Für den Jungen vom Lande war dieser anspruchsvolle, harte Job in einer Stadt wie Philadelphia ein Sprung ins kalte Wasser. Mittlerweile besaß er das Selbstbewusstsein eines alten Hasen.
Jessica informierte Bontrager und Caruso über den neuen Fall. Sie zog ihr iPhone aus der Tasche
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