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Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)

Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)

Titel: Der Teufel in dir: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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über sein Leben geschrieben hatte: Ich bin der Geist. Ruby hatte es so oft gelesen, dass die Schrift in dem Buch allmählich verblasste. Als das Buch einmal in eine Pfütze fiel, lief sie nach Hause, so schnell sie konnte, trocknete das Buch vor dem Feuer und bügelte jede Seite mit dem Bügeleisen ihrer Tante Hazel.
    Auch der Prediger hatte in seinem Leben in der Zeit, bevor ihm das Licht leuchtete, Dunkelheit gekannt. Der Junge aus der tiefsten Provinz, der in den Appalachen in Letcher County, Kentucky, geboren worden war, hatte zwei gewalttätige Väter überlebt und eine Mutter, die vom Satan besessen war.
    Als kleiner Junge musste der Prediger miterleben, wie seine Stiefschwester Charlotte umgebracht wurde. Viele glaubten, diese schreckliche Tragödie habe ihn auf den Weg des Heils geführt.
*
    Die Holy Thunder Caravan reiste überallhin. Sie durchquerte den Norden von Kentucky, den Süden von Ohio und den Südwesten von Pennsylvania. Der Prediger sprach auch im Radio. Wenn Ruby wusste, dass er sprechen würde, blieb sie am Tisch sitzen, lauschte aufmerksam seinen Worten und spürte, dass seine schöne Stimme sie mit dem Geist des Herrn erfüllte.
    An dem Abend, als Ruby sich hinten in der Versammlung auf einen Stuhl setzte, lauschte sie der Gemeinde, die mit lauter Stimme Lobpreisungen sprach, und hörte die Musik in den Himmel aufsteigen. Sie hatte nicht den Mut mitzusingen, doch es erfüllte sie mit einem nie gekannten Glücksgefühl, dem Prediger so nahe zu sein.
    Am nächsten Tag zog der Wanderprediger weiter. Ruby weinte tagelang. Jeden Samstag lief sie sechs Meilen zu der kleinen Bücherei und suchte in überregionalen Zeitungen nach Informationen. Endlich wurde ihre Mühe belohnt, als sie las, dass der Prediger und seine Holy Thunder Caravan in dem nahe gelegenen Ort Brandonville haltmachte.
    Ruby suchte sich Arbeit. Sie wusch Wäsche für andere Leute, fegte Ställe aus und nahm jeden Job an, um Geld zu verdienen. Am Ende hatte sie elf Dollar gespart. Das Geld reichte für eine Hin- und Rückfahrt mit dem Greyhound-Bus.
*
    Dieses Mal sprach der Prediger über die Sünden des Fleisches. Als er alle Anwesenden, die nicht durch die Heilige Schrift gerettet worden waren, dazu aufrief, vorzutreten, kam auch Ruby der Aufforderung nach.
    Schließlich kam der Prediger zu ihr und berührte ihre Stirn. Ein Gefühl der Wärme und der inneren Ruhe, wie sie es nie zuvor gespürt hatte, durchströmte ihren ganzen Körper von den Zehen bis zur Stirn. Ein grelles weißes Licht erstrahlte. Es gab nicht den geringsten Zweifel, dass der Heilige Geist sie erfüllte.
    Mit einem kalten Tuch auf der Stirn erwachte Ruby auf einem Feldbett hinter dem Zelt. Neben ihr saß eine dicke, fröhliche Frau. Sie trug einen Overall mit Fettflecken und roch nach selbst gedrehten Zigaretten und Orangenbonbons.
    »Bin ich im Himmel?«, fragte Ruby.
    Die Frau lachte. »Nein, mein Schatz. Du bist noch immer in West Virginia. Dieses Land hat viele Namen, aber als Himmel wurde es noch nie bezeichnet.«
    An diesem Abend fuhr Ruby nach Hause und erledigte ihre Hausarbeiten. Im Morgengrauen packte sie ihr Schulkleid, ihr Sonntagskleid und ein paar wenige andere Besitztümer ein und ging fort.
    Sie kehrte nie wieder nach Hause zurück.
*
    Als Ruby den Zeltplatz erreichte, war das Zelt dunkel. Sie trat ein und sah eine einzige Person am Rednerpult stehen. Er war es. Ruby würde niemals vergessen, wie der Prediger aussah – groß, majestätisch und von Gott gesandt. Seine Silhouette zeichnete sich im Mondlicht auf dem cremefarbenen Zeltstoff ab.
    Der Prediger lächelte, als er sie sah. Ruby befürchtete schon, erneut die Besinnung zu verlieren. Sie stützte sich rasch an einem Stuhl ab, bis sie sich wieder gefasst hatte. Der Prediger kam zu ihr, zog einen Stuhl heran und begrüßte sie.
    Und so wurde Mary Elizabeth Longstreet Mitglied der Holy Thunder Caravan.
*
    In diesem Sommer reiste Ruby mit dem Wanderprediger durch den Süden von Ohio und den Norden von West Virginia in Städte wie Grand Run, Friendly, Sistersville und Paden City. Der Prediger fuhr in den Sommermonaten gerne an den Ufern des Ohio River entlang, sodass er die Gläubigen sogleich im Fluss taufen konnte.
    Anfangs wurde der Prediger auf seinen Reisen von sieben Personen begleitet. Wenn man nur das Zelt und die ungefähr hundert Stühle betrachtete, hätte man kaum geglaubt, wie viel Arbeit die Planung, die Reisen und der Auf- und Abbau erforderten.
    Ruby war kein kräftiges

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