Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
rosarotes Kleid.
Auf dem Rückweg zum Zelt liefen Ruby Tränen über die Wangen.
In diesem Augenblick glaubte sie, ein Knurren in der Nähe zu hören, ein leises Winseln am Rand des Waldes. Ruby ging auf die Bäume zu und entdeckte zwei schwarze Hunde. Nach den Umrissen zu urteilen, schienen es große Rüden zu sein.
Als Ruby das Zelt betrat, sprangen die Hunde mit gesenkten Köpfen auf sie zu und legten sich neben dem Zelt auf den Boden, jeder auf einer Seite. Ihre wachsamen schwarzen Augen leuchteten wie Marmor in der Dämmerung.
*
Zwei Wochen später half Ruby am Stadtrand von Coshocton, die Stühle aufzustellen. Nach der Arbeit verließ sie das Zelt, um Wasser zu trinken. Dabei bemerkte sie, dass sich am Rand des Platzes etwas bewegte. Als sie verharrte und genau hinschaute, machte ihr Herz einen Sprung. Es waren die beiden schwarzen Hunde, die sie in Youngstown gesehen hatte, fast siebzig Meilen entfernt. Sie waren ihnen gefolgt.
Die Schwänze zwischen den Beinen näherten die Hunde sich.
Ruby spürte, dass sich etwas in ihr regte.
*
Der Frühling begann, als der Prediger fünf Monate später, am Abend des Karsamstags, vor einem Motel in Morristown, Pennsylvania, anhielt. Ruby hatte ein eigenes Zimmer.
Mitten in dieser ruhelosen Nacht sagte das Baby, es sei an der Zeit, geboren zu werden. Ruby schaffte es gerade noch bis zu ihrer Zimmertür, ehe die Fruchtblase platzte. Sie riss die Tür auf und hoffte, dass sie es bis zum nächsten Zimmer schaffte, in dem Carson Tatum schlief.
Was sie dann auf dem Parkplatz sah, nahm ihr den Atem.
Der Prediger war mit sämtlichen Wagen und allen Leuten verschwunden.
*
Ruby erwachte in einem sauberen Zimmer. Sie erfuhr, dass sie in einer Familienklinik in Waynesburg, Pennsylvania, lag. Als der Arzt mit ihr sprach, stellte sie fest, dass sie keine Stimme hatte. Sie brachten ihr das Baby. Es war ein wunderschöner Junge.
Nach einer Woche wickelte sie das Baby in Tücher, nahm seine Medikamente und machte sich aus dem Staub. In den ersten drei Nächten schliefen sie am Straßenrand.
Die Hunde waren nie weit entfernt. Ab und zu brachte Ruby ihnen Essensreste, die sie in Müllcontainern und auf Hinterhöfen von Imbissstuben gefunden hatte.
Es war warm genug, sodass Ruby sich noch keine Sorgen zu machen brauchte, der Junge könne erfrieren. In den nächsten Monaten liefen sie nachts und versteckten sich am Tag.
Schon bald fanden sie sich gut in der Dunkelheit zurecht.
*
Als der Junge drei Jahre alt war, hatte Ruby sich zu einem hübschen Mädchen entwickelt. Leute, die sie auf der Straße kennengelernt hatten, nahmen sie auf. Fast zwei Jahre lang wohnten sie bei einem Mann und einer Frau zur Untermiete, die im Südwesten von Pennsylvania eine Gemischtwarenhandlung führten. Einer ihrer Arbeitgeber war zu jener Zeit eine kleine Schule in Ohio. Ruby, die nachts nur wenige Stunden schlief, lief immer wieder an den hohen Bücherstapeln in der Bibliothek entlang. Sie verbrachte viel Zeit damit, in der Cafeteria die Teller mit den Essensresten abzuräumen, doch ihre Freizeit verbrachte sie meistens in der Bibliothek und las alles, was ihr in die Hände fiel.
*
Ein Jahr später sah sie in einem Schnellimbiss in Romansville, Pennsylvania, einen alten Bekannten. Ruby und der Junge schliefen zu der Zeit in einer Frühstückspension, wo Ruby als Gegenleistung für Kost und Logis Hausarbeiten übernahm.
Er war dicker geworden, und im Nacken hatten sich Speckrollen gebildet. Die Last auf seinen Schultern zeugte von vielen Jahren Traurigkeit. Dennoch erkannte Ruby ihn auf Anhieb wieder.
Als sie und der Junge auf den Tisch zugingen, hob Carson Tatum den Blick. Im ersten Augenblick machte er ein Gesicht, als sähe er Gespenster. Dann erhellte sich seine Miene.
Sie hielten sich nicht lange mit Small Talk auf.
»Lass dich anschauen«, sagte er. »Du siehst großartig aus, Ruby Longstreet.« Carson strich dem Jungen über die Schulter. »Und dein Junge ist schon ein richtiger kleiner Mann.«
»Er ist mein größter Schatz«, sagte Ruby. »Ist der Prediger in der Nähe?«
Carson nickte. »Drüben in Parkesburg. Jetzt sind nur noch der Prediger und drei andere dabei.«
Drei andere, dachte Ruby, sagte aber nichts.
Eine Zeit lang rührte Carson mit dem Löffel in seiner Tasse herum, obwohl nur noch der Boden vom mittlerweile kalten Kaffee bedeckt war. »Es war nicht in Ordnung, was er getan hat«, sagte Carson schließlich. »Es war wirklich nicht in Ordnung.«
Ruby fiel keine
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