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Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)

Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)

Titel: Der Teufel in dir: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Süd-Philadelphia war das fast so schön wie ein Planschbecken.
    Die Wanne war mit einem verschlissenen, aber sauberen Leinentuch zugedeckt. Jessica streifte Latexhandschuhe über und hob vorsichtig eine Ecke des Leinentuches an.
    Was sie sah, riss ihr den Boden unter den Füßen weg.
    In der Wanne lag ein wenige Wochen altes Baby in einem Eisblock.

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    O FFENBARUNG DES J OHANNES 19,12

 
    Es ist Samstagnachmittag, und die Menschen kommen zur Beichte. Du beobachtest sie, wie sie in die Kirche gehen und Platz nehmen.
    Auf der anderen Seite des Gangs siehst du eine fünfköpfige Familie: Mutter, Vater, zwei Mädchen von acht und neun Jahren und einen vierjährigen Jungen. Sie sind alle gut gekleidet und gepflegt und benehmen sich vorbildlich. Heute tragen sie zwar nicht ihren Sonntagsstaat, sind aber angemessen gekleidet, um ihren Respekt vor diesem Ort zu bekunden.
    Und du hast gedacht, so etwas gäbe es schon lange nicht mehr.
    Der kleine Junge mustert dich. Du lächelst ihn von der anderen Seite des Mittelgangs an und denkst zurück an die Zeit in deinem Leben, als du selbst noch viel jünger warst und in die Kirche gegangen bist, um deine Sünden zu beichten und die Gnade der Vergebung zu bitten.
    Ich habe dreimal Gott gelästert.
    Ich habe mich meiner Mutter gegenüber zweimal schlecht benommen.
    Ich habe einen Schokoriegel gestohlen.
    Und wie ist es heute? Du stellst dir vor, du würdest den kleinen Beichtstuhl betreten, die Tür hinter dir schließen, dich hinknien und darauf warten, dass die kleine Klappe zur Seite geschoben wird.
    Was würde passieren, wenn du es wirklich tust? Was würdest du zu deinem Beichtvater sagen? Die Wahrheit? Die ganze Wahrheit?
    Welche Bestrafung hat man zu erwarten, wenn man einem Menschen das Leben genommen hat? Selbst mit der Gnade der Vergebung kann es nicht vergessen werden.
    Plötzlich erinnerst du dich nicht mehr an die Nacht vor dreißig Jahren, an diese eiskalte Februarnacht, die dein Leben für immer verändert hat.
    Wie kann das sein? Du hast es dir immer wieder vor Augen geführt. Du hast an deinen Kollegen gedacht und überlegt, ob du dich anders hättest verhalten können, und wie du die entsetzlichen Geschehnisse hättest vermeiden können.
    Wie kann es sein, dass dir alles entfallen ist?
    Du musst es noch einmal durchleben. Du musst die eiskalte Luft einatmen, den Geruch des Blutes riechen, den warmen, kupfernen Geschmack auf der Zunge schmecken.
    Als du darauf wartest, die Geschichte zu erzählen, versetzt du dich zurück in diesen Augenblick, diesen Bruchteil einer Sekunde, als die Tür sich hinter dir schloss, als du deine Dienstwaffe gezogen und darauf gewartet hast, dass die Dunkelheit kommt.

14.
    Auf einem Bergrücken mit Blick auf das grüne Tal drei Meilen südlich von Bruceton, West Virginia, stand ein goldener Pavillon, ein helles Licht an diesem schwülen Sommerabend. Mücken und Glühwürmchen tanzten anmutig ein Ballett um das große, leuchtende Zelt herum. Es sah aus, als würde es sich im Rhythmus der fröhlichen Musik bewegen, die aus seinem Innern drang.
    Doch es war nicht die Musik, die das Mädchen anzog.
    Es war das Kreuz.
    Das indirekt beleuchtete Kreuz in dem Zelt warf einen Schatten an die Decke, sodass alle, die dort saßen, den Blick heben und gewiss sein konnten, dass ihre Seelen aufstiegen und ihnen Erlösung zuteil wurde.
    Die zwölfjährige Mary Elizabeth Longstreet zog dieser Anblick magisch an. Sie wusste, dass der Wanderprediger, der mit seiner Holy Thunder Caravan, wie er sie nannte, durch die Lande reiste, nur noch drei Tage in der Stadt bleiben würde. In dieser Zeit musste das Mädchen unbedingt den Mut aufbringen, das Feld zu überqueren und das Zelt zu betreten. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn sie es nicht tat.
    Obwohl Mary nach dem Namen der heiligen Jungfrau Maria getauft war, wurde sie von allen nur »Ruby« gerufen. Der Grund war ihr wunderschönes kastanienbraunes Haar, das im Spätsommer einen kräftigen Rotton annahm und wie Feuer leuchtete.
    Ruby Longstreet war das mittlere von fünf Kindern, ein verwahrlostes Mädchen mit neugierigen blauen Augen und einem schüchternen Lächeln. Sie hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Die Familie lebte in Jefferson County, West Virginia, nicht weit von der Grenze zu Maryland entfernt.
    Seitdem Ruby sprechen konnte, konnte sie aus der Bibel zitieren. Als

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