Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Stadt gingen an ihnen vorbei – ein jeder ein Prediger seiner Kirche, ein jeder ein Sünder seiner Taten.
Mutter und Kind, dachte Ruby.
Insgesamt waren es sieben Kirchen.
15.
Die Leiche des Babys war längst aus dem Keller weggebracht worden. Die Kirche war als Tatort versiegelt worden, und die Kriminaltechniker hatten sämtliche Spuren gesichert. Doch Jessica und Byrne hielten sich noch immer in der Kirche auf.
Seit einer Ewigkeit, wie es Jessica schien, standen sie schweigend beieinander, schauten sich den Tatort an und versuchten, den Hergang des Verbrechens zu rekonstruieren. Jessica wusste, dass Byrne anders auf diesen Fall reagierte als sie, auch wenn sie niemals einen mitfühlenderen Menschen als Kevin Byrne kennengelernt hatte. Er konnte mit Sicherheit nachvollziehen, was es für Jessica – für jede Mutter – bedeuten musste, einen ermordeten Säugling zu finden.
Nach einer halben Stunde wurde die Stille innerhalb der alten Kirchenmauern unerträglich.
»Sag mir bitte, dass es kein Mord war«, bat Jessica schließlich.
»Ich wünschte, ich könnte es, Jess.«
»Erzähl mir eine Geschichte über eine Mutter, die ihr kleines Mädchen badet und der dann etwas Furchtbares zustößt, sodass sie nicht verhindern kann, dass das Baby in der Wanne ertrinkt.«
Byrne erwiderte nichts.
»Sag mir, dass es ein Unfall war und dass die Mutter – nehmen wir an, sie ist eine religiöse Fanatikerin – ihr Baby, ihr geliebtes Baby, in diese Kirche trägt, weil sie es taufen will, und dann geht irgendetwas furchtbar schief.«
Jessica ging den Mittelgang hinunter, stieg die drei Stufen hinauf, wo einst der Altar gestanden hatte, kam nach kurzer Zeit wieder hinunter und ging zu der Treppe, die in den Keller führte.
»Ich muss glauben, dass es nicht absichtlich geschehen ist, Kevin. Dass es nicht zu einem Plan gehört und dass wir so etwas nie wieder sehen werden. Niemals.«
Byrne schwieg. Jessica hatte auch nicht damit gerechnet, dass er etwas sagen würde.
Auf dem Laternenpfahl vor der Kirche entdeckten sie wieder ein großes X.
*
An diesem Abend drückte Jessica ihre Kinder ein Dutzend Mal an sich und blieb die ganze Nacht auf dem Flur zwischen Schlafzimmer und Kinderzimmer sitzen. Alle zehn Minuten schaute sie nach Sophie und Carlos. Eine halbe Stunde bevor der Wecker klingelte, schlief sie endlich ein.
Zwei Tage später verwandelte sich die wahnsinnige Wut, die in ihr brannte, in ein anderes Gefühl, das sie als Polizistin erst wenige Male verspürt hatte. Sie hatte jeden Fall, der ihr als Detective übertragen worden war, ernst genommen und den Toten größten Respekt entgegengebracht, auch wenn es sich bei dem Opfer um einen widerwärtigen Menschen handelte. Alle Detectives, die Jessica kannte, verhielten sich genauso. Doch es gab Verbrechen, die sie beim Einschlafen, beim Aufwachen, beim Essen und bei jedem Schritt begleiteten. Es gab Fälle, die sie beim Duschen, beim Einkaufen und im Kino nicht losließen.
Dies war ein solcher Fall.
Jessica wusste, dass die Ergebnisse kriminaltechnischer Untersuchungen nicht sofort vorlagen und dass die Kollegen immer im Rückstand waren. Die Bestimmung der Blutgruppen, die Identifikation der Fingerabdrücke, der Haare und Fasern, die DNA-Analysen – das alles dauerte seine Zeit.
Das wusste Jessica, dennoch rief sie jede Stunde im Labor an. Seitdem sie die Kirche verlassen hatten, hatte sie nicht einmal zwanzig Minuten am Stück geschlafen.
Die winzigen Finger und Zehen, die klaren blauen Augen …
Sobald dieses Bild wieder vor ihren Augen auftauchte, erfasste sie unbändiger Zorn.
Natürlich war es nicht das erste tote Baby, das Jessica gesehen hatte. Wenn man in einer Stadt wie Philadelphia bei der Mordkommission arbeitete, brauchte man keine Bestätigung für die manchmal schockierende und unbegreifliche Unmenschlichkeit des Menschen.
Es ging darum, wie sie das Baby gefunden hatten. Die makellose Erhaltung in dem Eisblock. Es schien fast, als würde das Baby bis in alle Ewigkeit ein Baby bleiben und für immer mit geöffneten Augen in der Position verharren, in der es seinen letzten Atemzug getan hatte.
Die Medien hatten Wind von der Sache bekommen, und im Fernsehen lief am unteren Bildschirmrand ständig ein Newsticker:
W ER IST DAS UNBEKANNTE B ABY ?
Fernsehen und Presse brachten die schemenhafte Darstellung eines bekannten Babygesichts aus der Werbung mit einem Fragezeichen im Gesicht.
Inzwischen lagen erste Ergebnisse der Spurensicherung von
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