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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sich jener schönen, verschollenen Dinge und debattierte darüber, ob James Joyce wirklich ein neues Element in die Dichtung gebracht habe oder ob nicht dieses »Neue« schon vorher dagewesen sei, zum Beispiel in einzelnen Geschichten Schnitzlers.
    Der Grundzug österreichischen Wesens scheint mir eine gewisse Lässigkeit, eine Resignation, die man Weisheit, Gelassenheit nennen mag oder auch Energielosigkeit, Lethargie, Schlamperei. Selbst im Lager konnte man diese Eigenschaft an den meisten Österreichern wahrnehmen, an Juden und Christen, an Bankdirektoren, Industriellen und Proletariern, an Kommunisten und Legitimisten. Im übrigen waren die Österreicher geselliger als die Deutschen, nicht so zugesperrt und formell wie viele von diesen, gefälliger, redseliger: doch auch lärmender, streitbarer. Wir kochten alle im gleichen Topf; allein es zeigte sich, so sinnlos das war, häufig ein alberner Nationalitätenhaß zwischen Deutschen und Österreichern. Die Österreicher machten sich lustig über die Disziplin, welche die deutschen Saalchefs und Gruppenführer der Internierten zu halten suchten, und die Deutschen waren stolz darauf, daß die kontrollierenden französischen Sergeanten ihre Säle ordentlicher fanden als die der Österreicher.

    Die Heraufsetzung der Altersgrenze hatte zur Folge, daß nun auch die beiden letzten Deutschen aus meinem Sanary im Lager auftauchten, der eine ein Herr von einundsechzig, der andere von sechsundfünfzig Jahren.
    Dieser zweite, ein Schriftsteller, hatte bei Erlaß der ursprünglichen Internierungsvorschrift die damals festgesetzte Altersgrenze gerade erreicht, während mir noch einige Wochen zu dieser Altersgrenze gefehlt hatten. Er hatte natürlich ehrlich bedauert, daß ich gerade noch von der Verfügung betroffen wurde. Allein er war tief überzeugt von sich selber und hielt es bestimmt für ein persönliches Verdienst, daß er und just so knapp die Altersgrenze erreicht hatte.
    Wie denn überhaupt die meisten Menschen, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen, Glück, wenn sie es haben, für eine rühmliche Charaktereigenschaft anschauen, während sie es natürlich ablehnen, Unglück entsprechend zu betrachten. Haben sie Unglück, dann ist das eine Ungerechtigkeit des Schicksals oder Gottes, und sie sind deshalb zu bedauern; haben sie Glück, so ist das persönliches Verdienst. Wer etwa im Spiel Glück gehabt hat, spreizt sich gern und sieht darin eine Bestätigung seiner persönlichen Verdienste durch das Schicksal.
    Wie immer, mein armer Nachbar, der zehn Tage vor her so glücklich gewesen war, hatte jetzt auch daran glauben müssen und ging grimmig im Lager herum. Noch grimmiger war mein zweiter Bekannter aus Sanary, der Einundsechzigjährige, ein noch recht stattlich aussehender Opernsänger.
    Der hatte nun wirklich besonderes Pech. Er war, wie alle, zu Beginn des Krieges eingesperrt worden. Doch während man im allgemeinen ältere Leute, gegen die nichts Besonderes vorlag, nach einigen Wochen wieder entließ, hatte man ihn weiter festgehalten. Es lag gegen ihn, wie sich später herausstellte, Besonderes vor; er hatte ein ungünstiges Dossier. Es waren Anzeigen gegen ihn eingelaufen; Einwohner von Sanary hatten ihn verdächtigt, er sei deutscher Offizier, vom deutschen Geheimdienst zu dunkeln Zwecken nach Frankreich gesandt.
    Nun lebte der Mann seit langen Jahren in Frankreich, er besaß ein hübsches Haus in Sanary, sah ungeheuer deutsch aus, sprach schlecht französisch, und dem gemeinen Menschenverstand war es nicht recht erfindlich, warum sich die Nazis für ihre düstern Unternehmungen gerade einen so ungeeigneten Mann sollten ausgesucht haben. Dem stand gegenüber, daß Leute aus der Bevölkerung, Aufwartefrauen, französische Gärtner, mit Bestimmtheit erzählten, sie hätten in seinem Haus ein Foto gesehen, das ihn als deutschen Offizier darstelle. Er aber, der Sänger, hatte mit ebensolcher Bestimmtheit erklärt, er habe während des ersten Krieges keinen Dienst getan, er sei nur in sehr jungen Jahren und sehr kurze Zeit Soldat gewesen. Daß er somit seine Offizierstätigkeit während des Krieges verleugnete, hatte ihn verdächtig gemacht, und seine Akten waren ungünstig.
    Nun hatten freilich eingehendere Nachforschungen erwiesen, daß das fragliche Foto den Sänger in der Rolle des Don José in der Oper »Carmen« darstellte. Aber der Verdacht war nun einmal in den Akten nie dergelegt, und der Teufel in seiner französischen Ausgabe, die Schlamperei und

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