Der Teufel in Frankreich
Bürokratie, hielt den Mann im Internierungslager fest, er kam nicht mehr heraus.
Bisher hatte er sich jung gefühlt. Jetzt fraßen Grimm und zunehmende Verzweiflung an ihm, in drei Wochen wurden seine Haare weiß, wurde er ein alter Mann. Nun war ein Sohn von ihm, ein Junge von einigen Zwanzig, gleichfalls interniert, er sah, wie die Gefangenschaft seinen Vater hernahm, und wollte ihm helfen.
Es gab da ein Mittel. Die französischen Offiziere deuteten in unmißverständlichen Worten an, wenn der Junge in die Fremdenlegion einträte, dann, doch nur dann würden sie den Vater entlassen. Aber nicht nur galt der Dienst in der Fremdenlegion als besonders streng und nicht nur hatte die Truppe im letzten Krieg besonders hohe Verluste gehabt: es mußte sich auch, wer dort einzutreten willens war, auf eine ganze Reihe von Jahren verpflichten. (Später wurde diese Bestimmung geändert.) Der Sohn des Sängers zögerte also, was er tun sollte. Sollte er, der Junge, sich sein Leben verpfuschen für die paar Jahre, die der Vater noch zu leben hatte? Der Vater selbst verlangte nicht gerade das Opfer, er ging schweigsam und verbissen herum, vor aller Augen von Tag zu Tag alternd. Wohl aber verlangte das Opfer von dem Sohn die Stiefmutter, eine reiche Dame, von der Vater und Sohn wirtschaftlich abhängig waren. Nach vielem Hin und Her gab der Sohn endlich klein bei und verpflichtete sich zur Fremdenlegion.
Er bekam, bevor er nach Afrika verschifft wurde, einige Tage Urlaub. Vater und Sohn gingen, der früher beleibte Vater recht abgemagert, in Sanary spazieren, und die Bevölkerung war eine Woche lang gerührt über den Opfermut des Sohnes und seine Liebe zu dem schönen und großherzigen Frankreich.
Jetzt also war das Opfer des Sohnes umsonst gebracht, der Vater wurde ein zweites Mal eingesperrt.
Was jenes Foto anlangt, das den Sänger als Don José darstellte und das in sein und seines Sohnes Schicksal so tief eingriff, so hing das Unheil, das es anrichtete, zusammen mit der albernen Routine des gesamten französischen Geheimdienstes. Wie sich dieser Spionagedienst in unserm Süden betätigte, das war eine traurige Farce.
Lassen Sie mich von meinen eigenen Erfahrungen mit der französischen Militärpolizei berichten. In unserm Sanary waren von Beginn des Krieges an Kolonialtruppen stationiert, und zwar wurden diese Truppen sehr häufig ausgewechselt. Jede Abteilung aber brachte ihre eigene Polizei mit, und immer wieder wurden die paar Fremden die gleichen läppischen Dinge gefragt. Wann und wo Vater und Mutter geboren seien, wann und wo sie geheiratet hätten und ähnliche Daten, die, schon hundertmal aufgezeichnet, in hundert Registern standen. Es war außerdem zu unserer ständigen Überwachung ein Sonderbeamter in Sanary stationiert. (Sanary ist ein Ort von etwa viertausend Einwohnern, und zu Kriegsbeginn lebten dort unter vielen andern Fremden etwa zwei Dutzend Deutsche, Österreicher und Tschechen.) Der Mann, den die Behörde mit unserer Überwachung betraut hatte, war früher Schreiber unserer kleinen Bankfiliale in Sanary gewesen, er war eher wohlwollend. Er kam sich sehr wichtig vor, da jetzt die Fremden des kleinen Ortes gewissermaßen in seine Hand gegeben waren und da er sie, vor allem die Frauen, durch sein bloßes Erscheinen beträchtlich ängstigen konnte. Er schämte sich selber der albernen Fragen, die er zuweilen zu stellen hatte; allein, so erklärte er, die vorgesetzte Behörde verlange eben seinen Report darüber.
Der Mann fragte also zum Beispiel, warum meine Sekretärin des Nachts auf der Maschine schreibe; die Bevölkerung nehme an, es handle sich um geheime Mitteilungen an die Nazis. Meine Frau mußte, wenn sie in den Ort hinunterfuhr, fast immer Soldaten mitnehmen, die sie darum baten. Warum sie das tue, fragte die Polizei; die Bevölkerung nehme an, sie wolle die Soldaten ausspionieren. Als sie es daraufhin den Soldaten abschlug, fragte die Polizei, warum sie das tue; ein solches Verhalten sei unfreundlich gegen die französische Armee, die Bevölkerung finde es provozierend. Ich wurde gefragt, wodurch ich beweisen könne, daß ich Schriftsteller sei. Ich legte französische Ausgaben meiner Bücher vor; das genügte nicht. Ich legte Artikel der führenden französischen Zeitungen über mich und mein Werk vor; das genügte nicht. Ich bekam eine Geldsendung von meinem amerikanischen Verleger. Die Polizei stellte eine lange Untersuchung darüber an, woher das Geld stamme und wofür und wieso ich es
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