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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Landschaft. Hier also pißte man.
    Jede Scham hatte man sich im Lager schnell abgewöhnt. Niemand scheute sich, seine Häßlichkeiten und Gebrechen zu zeigen, die des Körpers wie der Seele. Es gab da manches über alle Worte hinaus Häßliche.
    Etwa zwanzig Minuten nach dem Aufstehen brachten je zwei Mann aus jeder Gruppe ihren Leuten den Eimer mit Kaffee und die tägliche Ration Brot. Jeder holte sich mit seinem Becher seinen Teil Kaffee und tunkte sein Brot hinein. Über die Qualität des Brotes wurde viel geklagt, einige Ärzte erklärten, dieses Brot sei eine der Hauptursachen der Krankheiten, von denen wir alle befallen wurden.

    Um halb acht Uhr blies es zum Appell. Dieser Appell fand unter gräßlichem Geschrei statt; trotzdem ging alles gutmütig zu und gar nicht militärisch. Erst marschierte eine starke Wache auf, etwa zwanzig ältere Bauern und Handwerker in Uniform, die gähnend und schrecklich gelangweilt herumstanden. Dann kamen ein paar Sergeanten in ihren roten Fes. Jemand brüllte gewaltig: »Stillgestanden.« Aber niemand stand still. Die älteren Herren unter uns wußten nicht recht, wie man das machen sollte, strammstehen, sie hielten es wohl auch für läppisch. Es wurde dann noch drei- oder viermal geschrien: »Stillgestanden«, dann wurden die Gruppenführer beschimpft, aber es klappte nie. Es lag auch daran, daß etwa ein Dutzend Leichtverrückter unter uns waren. Jener österreichische Polyhistor zum Beispiel irrte zumindest bei jedem dritten Appell, wenn es hieß: »Stillgestanden«, verloren zwischen den Reihen herum. Da rief man ihm dann wohl zu: »Hieher, hieher«; allein er konnte oder wollte nicht verstehen, und schließlich wandte er sich an einen der französischen Offiziere und legte ihm dar: »Ich bin Professor P., Gruppe Soundso, wohin soll ich mich stellen?« Auch sonst irrten während des ganzen Appells alte Männer herum, halb blind und halb taub, und konnten sich durchaus nicht zurechtfinden. Hinter den Reihen aber oder auch zwischen ihnen gingen die Fremdenlegionäre vorbei, welche in großen Tonnen den Kot der Latrinen vors Lager zu bringen hatten, und unvermeidlich riefen sie aus: »Eis gefällig, Schokolade, Vanille.«
    Dann wurden Bekanntmachungen verlesen und die Arbeit für den Tag zugeteilt. Zunächst wurden einige Spezialisten gesucht, Elektriker, Mechaniker, Schneider, Schuster, Köche. Bei jedem Aufruf meldeten sich viele Bewerber; der Tag war lang, die Beschäftigungslosigkeit drückend. Ob Schuster oder Schneider oder was immer verlangt wurde, stets meldete sich der Wiener Gelehrte; er erklärte, er habe die Lehrbücher jeglichen Handwerks studiert. Auch von den andern Halbverrückten meldeten sich welche immerzu.
    Dann wurde die Einteilung der Arbeit für alle vorgenommen. Da hatten etwa die Gruppen Soundso die Höfe zu reinigen, diese Gruppen das Innere des Gebäudes, jene hatten Küchendienst, wieder andre hatten Maurer- oder Erdarbeiten auszuführen.
    Der Stubendienst, ebenso wie die Reinigung der Höfe, bestand im Aufwirbeln von Staub. Genügt hätten für den Stubendienst zwei oder drei von uns, beordert waren zwanzig oder dreißig. Wer nicht zum Stubendienst beordert war, durfte sich während der Arbeitszeit nicht im Gebäude aufhalten. Wurde man gleich wohl dort betroffen, dann erklärte man, man habe Wachdienst, man habe zu kontrollieren, daß nichts gestohlen werde. Als ich einmal während dieser verbotenen Zeit erklärte, ich sei Wache, erwiderte der kontrollierende Sergeant, es seien ja schon vier Wachen da. Ich, mit einer an mir ungewohnten Geistesgegenwart, antwortete frech, ich sei da, um die Wachen zu kontrollieren.
    Der Küchendienst bestand im Einputzen von Rüben, im Schälen von Kartoffeln und dergleichen. Es waren dazu so viele Leute abgeordnet, daß auf den einzelnen, wenn es hoch kam, das Putzen von zwanzig Kartoffeln oder von zehn Rüben kam. Man verbrachte die Zeit mit Geschwätz.
    Die andern, diejenigen, denen keine Arbeit zugewiesen worden war, hockten, lagen, schlenderten in den staubigen Höfen herum, wenn sie nicht irgendwo anstanden oder auf irgendwas warteten. Viele versuchten zu lesen, Sprachen zu erlernen und dergleichen. Immer sah man Leute herumgehen, sich mit den Fingern die Ohren verstopfend und vor sich hin murmelnd; sie memorierten Vokabeln oder grammatikalische Regeln. Auch auf zerbröckelnden Ziegeln herumhocken sah man sie, Sprachstunden gebend und nehmend. Aber es kam wenig dabei heraus, und die meisten gaben es auch

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