Der Teufel in Frankreich
das Haus, so würden unfehlbar die Gräben durch das einstürzende Gebäude verschüttet. In vorsichtigen Worten setzten wir das dem Leutnant-Munizipalsekretär auseinander. Er wies uns barsch ab; es sei nun einmal Befehl da, Luftschutzunterstände zu schaffen.
Die Lagerleitung drängte darauf, daß die Arbeit schnell ausgeführt werde. Wir arbeiteten in Schichten, es herrschte gute Ordnung. Der Boden war hart, die Gräben mußten tief sein, leicht war die Arbeit nicht. Trotzdem kam sie den meisten zupaß, und nach der langen Beschäftigungslosigkeit freuten wir uns ihrer. Alle arbeiteten wir mit Lust. Man entledigte sich der Jacken, der Hemden, die derbgesichtigen, katholischen Geistlichen warfen ihre Soutanen ab, und mit nacktem, sich rötendem Oberkörper roboteten wir herum mit Hacken, Schaufeln, Schubkarren.
Zwei Tage, nachdem wir die Arbeit begonnen hatten, erfolgte ein erstes Bombardement, nicht durch die Italiener, sondern durch die Deutschen.
Der Lagerkommandant teilte offenbar die Meinung unserer Sachverständigen. Er schickte uns nicht in die Unterstände, sondern ließ uns ins Haus zurücktreiben. Die großen Tore wurden verrammelt wie in der Nacht, auch die Fensterluken mußten wie in der Nacht mit den Holzverschalungen geschlossen werden. Es war ein heftiges Bombardement, ein Flughafen war in unmittelbarer Nähe des Gebäudes, kaum zwei Meilen entfernt, die Einschläge erfolgten sehr nahe. Peinvolle, drükkende Spannung war in uns, wie wir da, zweitausend Menschen, hilflos eingeschlossen waren in dem dunklen Gebäude. Die Erfahrenen unter uns schätzten nach den Geräuschen, welcher Art die Bombe gewesen sein und in welcher Entfernung sie eingeschlagen haben mochte.
Über vier Stunden blieben wir so eingeschlossen, den ganzen Mittag über; zu essen gab es nichts. Alle waren wir dumpf gereizt, am meisten die Juristen. Daß man uns hier in unmittelbarer Nähe eines Flugplatzes unterbringe, verstoße, setzten sie auseinander, gegen das Völkerrecht.
Zur Verfügung standen nur die vier Latrinen im Innern des Gebäudes. Doch auch diese standen nicht zur Verfügung; sie wurden, ich sagte es schon, tagsüber versperrt gehalten, und die Lagerleitung hatte sie auch diesmal nicht öffnen lassen. Das war es, was uns am meisten empörte; denn viele hatten das Bedürfnis. Schließlich brach man die Latrinen auf. Aber jetzt er klärten die Fremdenlegionäre, die Latrinen gehörten zu ihrem Bereich, und sie verlangten Eintritt von jedem, der sie benutzen wollte.
Wir waren unter uns, kein Franzose war im Gebäude, nur wir Internierten. Die Einschläge entfernten sich, kamen näher, entfernten sich. Durch die Luken der Verschalung spähten wir hinaus in die Höfe, sie waren vollkommen leer. Wir fühlten uns preisgegeben.
Ein tiefes Aufatmen war, als die Türen endlich wieder geöffnet wurden und wir hinaus konnten in den besonnten Hof.
In der Nacht erfolgte ein zweites Bombardement, aber es kam uns weniger schlimm vor. Das dunkle Haus, in dem wir hilflos eingesperrt waren, hatte bei Tag wie ein Massengrab gewirkt, in das man uns lebenden Leibes geworfen hatte. Des Nachts wirkte es wie eine Schlafstätte. Die meisten schliefen denn auch und ließen sich von den Bomben nicht stören.
Am andern Tag kam ein höherer Offizier, unsere Luftschutzgräben zu inspizieren. Er ordnete an, daß man sie wieder zuschütte. Die mühselige Arbeit, die sinnlose Aufbuddelung des Grundes und die sinnlose Zuschüttung war so recht ein Gleichnis unseres ganzen, sinnlosen, bedrohten Lebens hier in Les Milles. Das einzige Ergebnis war, daß nun die Höfe uneben waren und holperig.
Die Nazis unter uns wollten mittels ihres heimlichen Radioapparates eine Ankündigung der Deutschen gehört haben, daß die Armeeleitung wisse, es seien in Les Milles gute Deutsche eingesperrt, und daß sie deshalb ihren Fliegern Auftrag gegeben habe, die Ziegelei Les Milles zu schonen.
In den nächsten Tagen erfolgten noch mehrere Bombardements. Wir wußten jetzt, daß ganz Nordfrankreich in der Hand der Nazis war. Wir lasen von der verzweifelten Bitte des französischen Ministerpräsidenten an Amerika, zu helfen, sogleich zu helfen, sonst sei Frankreich verloren.
Es waren herrliche Junitage, nicht zu heiß und nicht zu windig. In unseren staubigen Höfen standen wir herum und diskutierten eifrig. Überall waren Erdhaufen, die Überbleibsel unserer Bemühungen, uns gegen die Bomben zu schützen. Wann werden die Deutschen Paris nehmen? Schon war es zur
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